Heidelberg ist eine globale Drehscheibe für Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Der Wissenstransfer findet ständig statt, wenn Forscher ihre Erkenntnisse mit Unternehmen teilen – oder Verwaltungen mit neuem Know-how versorgen. Und Heidelberg hat seit April eine Plattform, um diesen Austausch zwischen Experten weiter zu intensivieren: das neue Heidelberg Congress Center (HCC).

Von Ingo Leipner

Wer das lichtdurchflutete Foyer des HCC betritt, dessen Blick wandert nach oben: In einer Höhe von 22 Metern sind dreieckige Oberlichter zu sehen. Es geht weiter in den großen Saal (1500 Quadratmeter), in dem bis zu 1800 Besucher Platz finden. Bemerkenswert: Dort ist die zweitgrößte LED-Wand Europas installiert. Der Rundgang führt durch das Pop-up-Forum, das für lockere Tagungsformate geeignet ist. Dann folgt in der ersten Etage der Saal 2, der zweitgrößte Raum mit Stühlen für bis zu 800 Menschen.
Ein Highlight, das nicht jedes Kongresszentrum bietet: Es gibt ein hauseigenes TV- und Filmstudio, in dem sich Veranstaltungen live streamen lassen. Ein „Green Screen“ und eine Digitalwand stehen zur Verfügung, um eigene Werbefilme zu erstellen. Die Bauweise auf allen Etagen ist sehr offen, was sich in großen Foyers mit hellem Sichtbeton erleben lässt.
Noch offener zeigt sich in der zweiten Etage das Sky Forum, das für die Freizeit bei Tagungen und After-Work-Aktivitäten geschaffen wurde. Alles unter freiem Himmel, gestaltet aus Bambus. Kontakte knüpfen Kongress-Teilnehmer auch in „the kitchen“, einem Restaurant im Zwischengeschoss: Der Raum ist für 56 Gäste ausgelegt und dunkel gekachelt. In der Mitte befinden sich drei Kochinseln, und nach draußen geht der Blick durch Fenster in Bullaugen-Form. Im Grunde der größte „Chef’s Table“, der in Deutschland bekannt ist.
Ganz klar: Die gesamte Architektur überzeugt durch klare Linien und Räume von großer Offenheit, immer wieder flutet Licht in die Säle, Foren und Foyers. Wer vor dem modernen Bau steht, dem sticht die wellenförmige Sandstein-Fassade ins Auge. So haben sich drei Jahrzehnte Diskussion und Planung gelohnt, um schließlich in vier Jahren das HCC hochzuziehen. Kosten: ca. 110 Millionen Euro. Im April wurde das neue Kongress-Zentrum eröffnet. Damit kann sich Heidelberg durch das neue HCC global als Kongress-Stadt positionieren, wobei der Ort auch zu einem Brennpunkt regionaler Wirtschaft und Wissenschaft wird.


Das Heidelberg Congress Center von innen: Die außergewöhnliche Architektur überzeugt durch klare Linien, Offenheit und lichtdurchflutete Räume.

Oberbürgermeister Eckart Würzner sagte zu dem neuen Ort der Begegnung: „Auch für die vielfältige Unternehmenslandschaft in Heidelberg wird das Konferenzzentrum ein Ankerpunkt werden, um sich über Innovationen und neue Ideen auszutauschen.“ Da klingt er schon an, der Gedanke an den Wissenstransfer, der im HCC eine neue Plattform erhält – und wie ein Leuchtfeuer internationale Strahlkraft entwickeln kann.
„Der Auftrag war, einen Leuchtturm in Heidelberg zu positionieren und dies ist uns, so glaube ich, geglückt“, so Mathias Schiemer, Geschäftsführer der Heidelberg Marketing GmbH und der Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft mbH. „Zu erwähnen ist noch, dass wir die vollständige Raumplanung im Vorfeld entwickelt und diese Vorgaben an die Architekten weitergegeben hatten – das sogenannte Heidelberger Modell.“
Ein Modell für erfolgreiche Gründungen ist das bekannteste KI-Unternehmen Heidelbergs: Aleph alpha. Mit diesem Unternehmen hat die Stadt Heidelberg die virtuelle Bürgerassistenz „Lumi“ entwickelt, die KI-gestützt Auskünfte zum Alltag in der Stadt gibt.
Im März machte dann Aleph Alpha einen großen Schritt – nach Bayern! Es geht um den Transfer von KI-Technologie, um die Verwaltung im Freistaat zu modernisieren. „Wir setzen unser Versprechen vom Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung in die Tat um. KI schafft damit den Sprung aus den Überschriften der Zeitungen in die Staatsverwaltung“, sagte Digitalminister Dr. Fabian Mehring. Aleph Alpha arbeitet künftig mit dem Digitalministerium und der Bayerischen Digitalagentur byte zusammen, um Künstliche Intelligenz in der Verwaltung einzuführen. Dazu eröffnet das KI-Unternehmen einen Standort in München.
Folgende Themen werden in Bayern verfolgt: Komplexe Texte werden maßgeschneidert zusammengefasst, Fragen von Mitarbeitern transparent beantwortet. Das geschieht in einem intelligenten Informationsmanagement. Das beschleunigt den Umgang mit Vorschriften, was Abläufe in der Verwaltung optimiert. Zu den vielen Anwendungen zählen auch automatisierte Übersetzungen, FAQ-Listen sowie Verweise auf im Kontext wichtige Gesetzestexte, wobei aus Dokumenten Kernaussagen herauszuarbeiten sind. Mehring: „Mit Aleph Alpha holen wir uns echten KI-Pioniergeist in die Landeshauptstadt.“
Und dieser Pioniergeist weht kräftig an vielen Orten in Heidelberg, etwa im Inkubator BioLabs, der sich auf Co-Working-Space für Start-ups spezialisiert hat, die in den Bereichen Life Science und BioTech aktiv sind. Dabei kooperiert die Stadt Heidelberg mit dem Investor Gustav-Zech-Stiftung Management GmbH, um eine geeignete Infrastruktur für High-Tech-Unternehmen zu schaffen. Zusätzlich werden die Start-ups mit den großen Unternehmen der Branche vernetzt. Das Ergebnis: Das neue Ökosystem floriert – aus Start-ups, Spin-offs und Scouting. Außerdem fördern die neuen Unternehmen große Pharma-Firmen, Investorinnen und Investoren, sowie Fonds und Business Angels. Damit steht der Inkubator BioLabs für einen Wissenstransfer, wie er moderne Forschungsstandorte auszeichnet.
Das gilt auch für die Universität Heidelberg: Sie betreibt die Transferagentur hei_INNOVATON, eine zentrale Anlaufstelle, um den Transfer von Wissen und Technologie zu unterstützen. So werden Erkenntnisse der Wissenschaft in praktische Anwendungen überführt. Das reicht laut Universität „vom Management geistigen Eigentums bis hin zu den vielfältigen Aspekten der Wissenschaftskommunikation.


Blick auf das hip: Das 15 Hektar große Gewerbegebiet hat sich auf Digitales und Life Science spezialisiert und bildet eine lebendige Start-up-Szene in Heidelberg.

Diese Effekte werden von der Transferagentur erwartet: Kooperationen mit Industriepartnern nehmen zu, gesellschaftliche und unternehmerische Tätigkeiten lassen sich stärker initiieren. Mehr Patente und Lizenzen sind künftig zu erreichen; es kann auch zu mehr Ausgründungen kommen. Schließlich kann der Wissenstransfer an gesellschaftliche Akteure sichtbarer werden. Und: Die Bedeutung der Universität für die Gesellschaft lässt sich besser darstellen – „auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene“, wie die Universität auf ihrer Website schreibt.
Besonders stark im Transfer sind die vier „Fields of Focus“: die Flagship-Initiativen, die interdisziplinären Inkubatoren Marsilius-Kolleg (MK), Heidelberg Center of the Environment (HCE) und das Institut für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) sowie die beiden Exzellenzcluster STRUCTURES und „3D Matter Made to Order“.
Eine andere Form von Transfer soll im BETRIEBSWERK gepflegt werden, eine Schnittstelle zwischen Arbeit und Gesellschaft wird entstehen. Ort des Geschehens ist das ehemalige Bahnbetriebswerk, das am Rande der Bahnstadt liegt. Geplant ist ein Raumangebot, das Gemeinschaft, Begegnung und Austausch in den Mittelpunkt rückt. Es entstehen Bu?ros und Werkstätten, Läden, Ateliers und Bu?hnen. Geplant sind u. a. Höfe und Plätze sowie Co-Working Spaces, Kita, Kommunikations-, Spiel- und Sporträume. Das alles entfaltet sich bis 2025 auf einer Fläche von rund 16 500 Quadratmetern, wo Arbeiten und vorübergehendes Wohnen für 500 bis 600 Menschen möglich wird. „Mit diesem Projekt wollen wir zeigen, dass wirkungsorientiertes Wirtschaften in der Immobilienbranche nicht nur Rendite, sondern auch Kultur und Gemeinschaft bedeutet“, erklärte Architekt Stefan Loebner, verantwortlich für das Projekt (Architekturbüro AAg).
Die letzte Station ist der Heidelberg Innovation Park (hip): ein „Gewerbegebiet“, das auf Digitales und Life Sciences spezialisiert ist. Auf 15 Hektar hat sich eine Campus-Atmosphäre eingestellt – vom einzelnen Schreibtisch im Co-Working-Space bis zu 10 000 Quadratmeter großen Büro- oder Laborflächen. Besonders sticht der Verein hip:com hervor: Das Branchennetzwerk hat sich vorgenommen, den Austausch zwischen BioTech- und IT-Unternehmen zu fördern. Zwischen und innerhalb der beiden Fachrichtungen organisiert hip:com Kooperationen – durch einen gezielten Wissenstransfer. Es geht um den Aufbau eines lokalen Ökosystems, das als Schwerpunkt den nachbarschaftlichen Austausch im hip vorantreibt und natürlich auch außerhalb des Parks Kontakte knüpft.
Das hip ist ein weiteres Beispiel für die lebendige Start-up-Szenerie in Heidelberg, eine wesentliche Grundlage für den vielfältigen Wissens- und Technologietransfer, der seine Wirkungen weit über die Grenzen der Stadt entfaltet. So können in diesem Text nicht alle Akteure auftauchen, die eine Erwähnung verdient hätten. Es gibt auch zahlreiche Partner, die Gründern unter die Arme greifen. Sie zählen mit Sicherheit genauso zur innovativen Kultur Heidelbergs. Überhaupt arbeitet in dieser Stadt eine große Vielfalt wissenschaftlicher Einrichtungen, was einen kräftigen Transfer aus der Wissenschaft ermöglicht, der Wirtschaft und Gesellschaft zufließt – und Heidelberg zu einer globalen Drehscheibe des Wissens macht. Ein kräftiger Pioniergeist weht durch die Stadt.

Bilder: Heidelberg Marketing GmbH; Heidelberg Congress; by buck