Der H2-Hub läuft“, freut sich Dr. Doris Wittneben von der MRN GmbH, die das Projekt „H2Rivers“ koordiniert. Ziel ist es, in der Region eine Wasserstoff-Wirtschaft aufzubauen. Der Hub ist die zentrale H2-Verteilstelle auf der Friesenheimer Insel, Mannheim. Wird das der „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“ – mit Wasserstoff?

 

Sie sind froh, die Müllwerker in Mannheim. Weniger Lärm, weniger Abgase bei der Arbeit. Seit dem Herbst sind sie mit einem batteriegetriebenen Müllfahrzeug unterwegs. Der Strom kommt aus einer H2-Brennstoffzelle. „Wo batteriegestützte Elektromobilität bei schweren Nutzfahrzeugen an ihre Grenzen stößt, können Brennstoffzellen und Wasserstoff eine emissionsfreie klimafreundliche Alternative sein“, erklärte Oberbürgermeister Christian Specht.

Mit derselben Technik fahren jetzt jeweils ein Müllfahrzeug durch Ludwigshafen und Heidelberg. Kostenpunkt je H2-Fahrzeug: rund 1,1 Millionen Euro, wobei 750 000 Euro aus Fördermitteln kommen. Ihre Reichweite beträgt 250 Kilometer. Dabei hat ihre Batterie eine Kapazität von 85 Kilowattstunden. Die Stadt Mannheim erklärt dazu: „Sinkt [diese Kapazität] unter 75 Prozent, schaltet sich die Brennstoffzelle automatisch zu, wandelt den Wasserstoff in den erforderlichen Strom um und versorgt die Batterie mit Energie.“
Klimaneutralität durch Wasserstoff? Dafür braucht es einen H2-Hub, der jetzt im BASF-Werk auf der Friesenheimer Insel in Betrieb gegangen ist. Spatenstich war Sommer 2022, verantwortlich ist die Firma Air Liquide. Dieses Verteilzentrum steuern im Laufe des Projekts zwölf Wasserstoff-Trailer an. Das sind Tankfahrzeuge, die Tankstellen in der Region versorgen werden.

Bisher haben solche Anlagen in Großsachsen und Heidelberg ihre Arbeit aufgenommen. Dort muss im Moment auch das Müllfahrzeug aus der Quadratestadt tanken. Dagegen sind in Ludwigshafen und Mannheim die Tankstellen noch in Bau.
Laut der Plattform H2BW.de sind „Teil des Modellvorhabens ‚H2Rivers‘ […] Brennstoffzellen-Busse (40 Stück allein in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg), Brennstoffzellen-Müllfahrzeuge, Brennstoffzellen-PKW sowie Flurförderfahrzeuge und Fahrzeuge für den Straßendienst.“
Nun zur Herkunft des grünen Wasserstoffs: Die BASF produziert ihn am Ludwigshafener Standort – und schickt ihn unter dem Rhein zur Friesenheimer Insel, und zwar in einer Rohrleitung, Düker genannt. 300 bis 400 Tonnen sollen es im Jahr sein. Das alles geschieht im Rahmen von zwei Projekten, ihr Volumen: knapp 100 Millionen Euro, inklusive 40 Millionen Euro Fördermittel.

Projekt „H2Rivers“: Es geht um klimaneutrale Mobilität mit Wasserstoff; die Investitionssumme beträgt ca. 52,2 Millionen. Der Bund stellte davon 20 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung.

Projekt „H2Rhein-Neckar“: Dieses Projekt soll einen klimafreundlichen ÖPNV in Mannheim und Heidelberg fördern, und zwar auf der Basis von Wasserstoff. Das gesamte Volumen der Investitionen liegt bei ca. 45,7 Millionen Euro, 20 Millionen Euro kommen davon vom Land Baden-Württemberg.

Stadtraumservice: Mannheim nimmt das erste wasserstoffbetriebene Müllfahrzeug in Betrieb.

„Die zwei Projekte sind ein Anfang“, sagt Dr. Wittneben, Leitung Zukunftsfelder und Innovation bei der MRN GmbH. Sie betrachtet aber H2-Mobilität als „second-best-Lösung“, an erster Stelle sollte die E-Mobilität stehen. Der Grund: Dr. Wittneben sieht Batterie-elektrische Fahrzeuge im Vorteil, wenn es im Privatbereich um jährliche Strecken bis 15 000 Kilometer geht. Allerdings erkennt sie einen sinnvollen Einsatz der Brennstoffzelle, wenn sie als „Range-Extender“ im E-Bus dient, dessen Energie vor allem aus einer Batterie kommt. Es geht dabei um eine Kombination beider Antriebsquellen, wobei die Brennstoffzelle als „Range-Extender“ eingesetzt wird. Diese Technik soll es auch E-Bussen leichter machen, im Odenwald Steigungen zu bewältigen. Dadurch erweitert sich ihre Reichweite („Range“).

Ein weiterer Schritt: Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (vrn) erhielt im November die ersten drei von 48 vollelektrischen eCitaro Gelenkbussen, die als Range Extender eine Brennstoffzelle (60 kW) haben, produziert von „Daimler Buses“. Reichweite: bis zu 400 Kilometer im Stadtverkehr, außerdem staatlich gefördert.

Klingt alles sehr positiv, bis die französische Wirtschaftszeitung „La Tribune“ auf dem Tisch liegt. Ihre Überschrift: „Warum die Metropole Montpellier auf Wasserstoffbusse verzichtet“. Sicher, es besteht immer die Gefahr, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Trotzdem lohnt sich der Blick in die Metropolregion Montpellier: Ab 2023 sollten etwa 50 H2-Busse durch die Region rollen, getrieben von grünem Wasserstoff, erzeugt durch Elektrolyseure. Vier solcher Buslinien waren geplant. Name des Projekts: „Montpellier Horizon Hydrogène“.

Doch die Stadtverwaltung hat sich 2022 entschieden, keinen dieser Busse mehr zu kaufen – und vollständig auf E-Busse zu setzen. Warum? Laut „La Tribune“ wurde daran gedacht, eine „800 kg/Tag Elektrolyse-Anlage für Wasserstoff, eine 2,8 MWp-Photovoltaikanlage, ein Wasserstofflager und Verteilerstationen zu bauen und zu betreiben.“ Später wollte Montpellier die Produktion von Wasserstoff massiv ausbauen, um die Mobilität der Region zu diversifizieren, etwa für Müllwagen, Transportfahrzeuge und sogar private Autos. Geschätzte Kosten: 29 Millionen Euro.
Michaël Delafosse ist der Präsident der Metropole Montpellier. Er sagte „La Tribune“: Die H2-Technologie sei zwar vielversprechend gewesen, aber ihre Betriebskosten lagen sechsmal höher als bei E-Bussen. Julie Frêche arbeitet als seine Vizepräsidentin, sie erklärte der Wirtschaftszeitung, die H2-Busse hätten im Jahr drei Millionen Euro gekostet, E-Busse kämen nur auf 500 000 Euro. Auch die Anschaffung sei gegenüber E-Bussen teurer gewesen, um 150 000 bis 200 000 Euro. So scheiterte eines der „größten Wasserstoff-Mobilitätsprojekte Frankreichs“, wie es in der Öffentlichkeit bezeichnet wurde.

Hinzu kommt: Das Fachmedium elelctrive.net meldete im November, dass in Frankreich eine weitere Kommune aus der Brennstoffzellentechnik ausgestiegen ist. Das südfranzösische Pau hatte 2019 acht H2-Busse in Betrieb genommen (Bustyp: ExquiCity18 Fuel Cell) – als weltweit erstes Schnellbussystem auf der Basis von Wasserstoff. Name: „Fébus“. Die Busse sollten eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern haben. Viele Pannen und hohe Kosten führten zur Entscheidung, in Zukunft nur E-Busse anzuschaffen, so wie in Montpellier. Kommentar eines Lesers unter dem Artikel: „In DE müssen alle erst selbst auf die Nase fallen und unsere Steuergelder verschwenden.“

Äpfel und Birnen? Vielleicht, weil in Frankreich Busse fahren sollten, die einen reinen Wasserstoff-Antrieb hatten.
Im Gegensatz zur Technologie „Range-Extender“, die Brennstoffzellen nur als Ergänzung vorsieht – und in die E-Busse der MRN integriert wird. Doch schlechte Nachrichten kommen ebenso aus Dänemark (t3r.de): Im Sommer machte Everfuel Tankstellen für Wasserstoff dicht, weil sie das Unternehmen nicht mehr subventionieren wollte. Mehr als 15 waren geplant, doch jetzt müssen H2-Pioniere im Ausland tanken.
Thema H2-Fördermittel: 40 Millionen Euro fließen aus Steuergeld in die Metropolregion Rhein-Neckar; das Institut für Weltwirtschaft Kiel beziffert die gesamten Subventionen in Deutschland auf 1,55 Milliarden Euro. Aber: Manchmal reicht auch viel Geld nicht aus, um das Ende eines Projekts aufzuhalten. Geschehen in Heide, Schleswig-Holstein, wo ein Industrie-Konsortium die Arbeit am größten Elektrolyseur Deutschlands eingestellt hat. Das berichtete gerade die taz.

Die Baukosten waren zu hoch, immerhin sollte die Anlage eine Leistung von 30 Megawatt bringen. Beteiligt waren: die Raffinerie Heide, die Firmen Ørsted und Hynamics (EDF) sowie weitere Partner wie der Baustoffproduzent Holcim. Die Idee: überschüssige Windenergie nutzen, um grünen Wasserstoff zu produzieren. Dieses „Reallabor Westküste 100“ erhielt 36 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln.
Stichwort Elektrolyse: Sie ist die Grundlage für grünen Wasserstoff, denn sie spaltet mit Wind-Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Dabei wird kein CO2 freigesetzt. Doch was technisch funktioniert, muss auch ökonomisch darstellbar sein. An dieser Bedingung scheint das norddeutsche Projekt gescheitert zu sein.

Die taz rechnet vor: Die Kapitalkosten sind hoch, daher sollte ein Elektrolyseur im Jahr lange Zeit in Betrieb sein, etwa 8000 Stunden. Die Konsequenz: Es lässt sich nicht nur überschüssiger Windstrom nutzen, sondern der Strom ist auch zu Zeiten zu kaufen, wo er teuer ist und vor allem aus keinen Öko-Quellen fließt. Verbraucht der Elektrolyseur nur überschüssigen Windstrom, kommt er nicht auf die erforderliche Laufzeit. Ein Dilemma! Die hohen Fixkosten lassen sich nicht mehr sinnvoll auf die wenigen Betriebsstunden verteilen, wodurch ebenfalls eine Amortisation der Anlage in die Ferne rückt. Daher stoppte das Konsortium das Projekt in Heide.

Natürlich haben Beispiele nur einen anekdotenhaften Charakter – und ersetzen keineswegs valide wissenschaftliche Aussagen. Das gilt auch für die Wasserstoff-Technologie, zum Beispiel bei den schlechten Nachrichten aus Heide. Bemerkenswert ist jedoch, wie dieses Projekt an der Ökonomie scheiterte – trotz hoher staatlicher Subventionen.

Warum könnte die H2-Technologie auf schwankendem Boden stehen? Antwort gibt der H2-Experte Dr. Uwe Bossel, der in einem Beitrag für „Solarzeitalter“ schreibt: Wasserstoff sei keine Energie, die ewig sprudelt – sondern nur ein Energieträger. „Der mit Hilfe von Wasserstoff verteilte Strom wird nie mit dem grünen Original konkurrieren können“, so Dr. Bossel. Das zeigt sein Modell einer Energie-Kaskade: Von 100 Prozent grünem Strom erreichen 90 Prozent die Verbraucher, wenn die Elektrizität durch das übliche Verteilnetz fließt. Und bei Wasserstoff? Da kommen nur 25 Prozent der Ausgangsenergie beim Verbraucher an. Die Ursache: „Grüner Strom […] wird zuerst elektrolytisch in Wasserstoff gesteckt“, so Dr. Bossel, „den man über eine neu zu schaffende Infrastruktur verteilen muss, um ihn dann wieder in Strom zu verwandeln oder stofflich zu nutzen.“

Weiter rechnet der Maschinenbauer vor: Ein Batterie-Auto benötigt für eine Strecke von 100 Kilometern rund 18 kWh elektrischer Energie. Wird das Auto mit Wasserstoff betrieben, braucht es 72 kWh, weil in der gesamten Wasserstoff-Kette so viel Energie verloren geht (Energie-Kaskade). Würde der Wasserstoff aus Australien importiert, wäre die Bilanz noch übler: Jetzt sind 100 kWh nötig, um das Auto mit Wasserstoff fahren zu lassen. Siehe auch econo, Ausgabe 01/2023 („Der Stoff aus dem die Träume sind“).
Fazit: Wasserstoff stößt im Moment auf klare physikalische Restriktionen. Ökonomisch ebenfalls, was die Beispiele aus Montpellier, Pau und Heide vor Augen führen. Verbrennt die Brennstoff-Zelle nur das Geld der Steuerzahler?

Text: Ingo Leipner; Bilder: Thomas Troester/stock.adobe – Patrick P. Palej