Die PFALZKOM ist jetzt 25 Jahre alt, der Startschuss fiel 1998. Wieso begann die Firmengeschichte mit dem Telefon?
Jürgen Beyer: Der Auslöser für die Gründung war, dass die PFALZWERKE, unsere Muttergesellschaft, schon seit Jahren Glasfaserkabel auf ihren Hochspannungsleitungen verlegt hat. 1998 fiel das Monopol der Telekom, und es kam die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte. Wie viele Energieversorger haben damals die PFALZWERKE Ausgründungen gemacht, weil sie Geschäfte mit der Telekommunikation nur in dieser Form aufnehmen durften.
Die PFALZKOM war eine dieser Ausgründungen – mit dem klaren Ziel, externes Geschäft zu erwirtschaften. Im Gegenzug habe wir die verlegten Glasfaserkabel gepachtet, die im Hochspannungsnetz bereits vorhanden waren, sowie die technischen Anlagen.

Sie sprachen gerade von Glasfaserkabeln auf Hochspannungsleitungen. Für den Laien eine ungewöhnliche Technik, oder?
Jürgen Beyer: Sie ist aber ziemlich alt, rund 35 Jahre. Es gibt die Hochspannungsfreileitungen und sie führen ein Erdseil mit sich, in dem sich Glasfasern befinden. Zunächst wurden die Kabel für eigene Zwecke verwendet, wobei die Kapazität von Glasfaserkabeln schon in dieser Zeit enorm groß war. So wurde diese Technologie zur Initialzündung für die PFALZKOM, verbunden mit der Idee, dieses Potenzial an externe Kunden zu vermarkten. Das machte gerade die erwähnte Liberalisierung möglich. Die PFALZWERKE vermieteten an uns die Glasfasernetze und die nötige Technik. Zu unserem Geschäftsmodell gehörte auch die Telefonie.

Wenn Sie jetzt 25 Jahre zurückblicken, was waren die wichtigsten Meilensteine, Herr Burre?
Uwe Burre: Was für mich immer spannend gewesen ist, war das Erschließen neuer Geschäftsfelder und damit auch neuer Kunden. Wir haben ja mit einem ziemlich einfachen Geschäft begonnen, den Datenleitungen. Darauf entwickelten wir uns zu einem vollständigen Internet-Service-Provider und einem Sprachdienstanbieter für die Öffentlichkeit. Schließlich wurden die Leistungen von Rechenzentren zu einem Teil unseres Portfolios. Last but not least kamen unsere Managed IT-Services dazu. Wir haben uns in den 25 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt – vom klassischen TK-Anbieter zum ITK-Unternehmen.

Und Sie, Herr Beyer, waren von Anfang an dabei?
Jürgen Beyer: Ja, ich war bei der PFALZKOM der Gründungsgeschäftsführer und bin mit Uwe Burre gemeinsam gestartet, der seit 2000 auch Geschäftsführer ist. Eine lange und erfolgreiche gemeinsame Zeit.

Ein großer Schritt war ja auch die Fusion mit dem Mannheimer Unternehmen MAnet.
Jürgen Beyer: Neben dem Aufbau neuer Geschäftsfelder fand ich es sehr interessant, für die PFALZKOM ein Beteiligungs-Portfolio zu entwickeln. Das war zum Beispiel 2006 der Merger mit der MAnet, einer MVV-Tochter in Mannheim. Wir schufen eine neue Marke: Erst kauften wir die Gesellschaft, dann das Glasfasernetz. Spannend war für mich ebenfalls die Kooperation mit der Stadt Ludwigshafen, wodurch wir die TWL-Kom ins Leben riefen.
Wir haben noch eine weitere Beteiligung an einem IT-Sicherheitsunternehmen, der Network Engineering GmbH in Speyer. Genauso interessant war es für mich, eigene Rechenzentren für die PFALZKOM zu bauen. Davon gibt es ja inzwischen zwei in Mutterstadt. Das ergab Einblicke ins Baugeschäft, und ich lernte, warum in Deutschland bestimmte Prozesse so lange dauern. Am Ende hat der Bau doch nur drei Jahre gedauert.

Welche Vorteile hat ein Unternehmen, wenn es Daten im Rechenzentrum in Mutterstadt speichert, statt sie vielleicht günstiger nach Übersee zu schicken?
Uwe Burre: Die Nähe ist ein sehr wichtiges Thema. Die Kunden schätzen es, dass unser Service auch ein Gesicht hat. Sie können die lokalen Rechenzentren besichtigen, was unsere Cloud-Strukturen aus der Anonymität herausholt. Schließlich werden Geschäfte immer zwischen Menschen gemacht! Unsere Kunden wollen wissen: Wo liegen ihre Daten? Wer ist dafür verantwortlich? Wie vertrauenswürdig ist die Firma, die hinter dem Rechenzentrum steckt? Das sind wichtige Fragen, denn IT-Prozesse sind extrem relevant für ein funktionierendes Geschäftsmodell. Außerdem wollen Kunden auch einmal Lob und Tadel loswerden, und zwar an der richtigen Stelle.

Das ist die wichtige persönliche Seite, die Sie gerade beschrieben haben. Aber auch für die Datensicherheit spielt die lokale Struktur eine große Rolle, oder?
Uwe Burre: Unsere Rechenzentren sind alle nach deutschen und europäischen Standards zertifiziert, sie bieten die notwendige physikalische Sicherheit. Damit garantieren wir höchste Sicherheitsstufen vor Ort und eine sehr hohe Verfügbarkeit. Das ist im internationalen Vergleich absolut an der Spitze. Hinzu kommt: Die PFALZKOM betreibt nicht nur Rechenzentren. Wir haben auch Glasfasernetze, an die alle Rechenzentren exzellent angebunden sind. So ist uns möglich, die Kunden über Glasfaser direkt mit unseren Rechenzentren zu verbinden und sie dort auch mit professionellen IT-Services zu bedienen.
Das ist ein wichtiger Vorteil für die Unternehmen, weil wir große Bandbreiten und eine hohe Geschwindigkeit des Datentransfers zur Verfügung stellen. Ein weiterer Aspekt ist die Stromversorgung: Wir sind bekanntlich die Ausgründung eines Energieversorgers, und wir haben die zwei Rechenzentren an einem hervorragenden Stromversorgungsknoten gebaut. Das bringt beim Strom eine enorme Sicherheit.
Strommangel und -überschuss sind inzwischen auch ein Thema: Es gibt viele Rechenzentren, die vom vorgelagerten Netzbetreiber nicht mehr ausreichend mit Strom beliefert werden können. So ein Problem haben wir definitiv nicht.

Wie sind Sie mit den hohen Strompreisen der letzten Monate umgegangen?
Uwe Burre:
Wir beschaffen unseren Strom vorausschauend direkt an der Energiebörse. Da waren wir letztes Jahr natürlich geschockt, von den teils dramatischen Entwicklungen. Im Vordergrund stand für uns aber immer, den notwendigen Bedarf an Ökostrom für unsere Kunden zu sichern. Denn die Verfügbarkeit von Strom stand ja konkret in Frage.

Wie haben Sie reagiert?
Uwe Burre: Wir haben die Beschaffung soweit wie möglich optimiert und unter Anrechnung aller möglichen Reduktionen – Stichwort „Strompreisbremse“ – auf Grenzkosten kalkuliert. Das haben wir dann in vielen Gesprächen unseren Kunden transparent erläutert. Übrigens fallen Rechenzentren nicht in die Kategorie „energieintensive Industrie“, obwohl der Stromverbrauch dort sehr hoch ist.
Damit würde Ihre Branche auch ein subventionierter Industriestrompreis nichts nutzen.
Jürgen Beyer: Ja, denn bisher wurden Rechenzentren nicht als „energieintensiv“ eingestuft, was die ganze Branche in Aufregung versetzt, weil auf diese Weise Wettbewerbsnachteile entstehen. Und: Erste Rechenzentren sind schon ins europäische Ausland abgewandert, etwa nach Frankreich, da dort die Strompreise niedriger sind.

Ist es aus deutscher Sicht egal, ob Daten im Inland bleiben oder nach Frankreich fließen?
Jürgen Beyer: Zumindest die Datenschutzgrundverordnung gilt in der gesamten Europäischen Union, wobei sich die nationale Umsetzung in Details unterscheiden kann. Also zählen EU-Staaten zu den sicheren Drittstaaten – und es gibt daher keine Bedenken, Daten in andere Staaten der EU zu transferieren. Bleiben aber noch die Vorteile, die vorhin mein Kollege Burre zum Thema Regionalität angeführt hat.

Der Anglizismus „Backbone“ lässt sich mit Rückgrat übersetzen. In Ihrer Branche wird damit eine besonders leistungsfähige Leitung beschrieben, die Datenströme der Endnutzer bündelt und dabei mit extrem hohen Übertragungsraten arbeitet.Welche Bedeutung hat Ihr „Backbone“ für das Geschäftsmodell der PFALZKOM?
Jürgen Beyer: Wir haben als „Backbone“ nicht nur eine Leitung zum Frankfurter Internetknoten, sondern aus Sicherheitsgründen gleich mehrere. So kann ein einzelner Bagger zwar eine Leitung lahmlegen, aber der vollständige Datentransfer bleibt durch die Redundanz gewahrt. Diese Leitungen sind aus verschiedenen Gründen sehr wichtig: Es handelt sich um ein Haupttrasse, und ein Teil unseres Geschäftes besteht darin, lokalen Providern einen Anschluss an diesen „Backbone“ zu geben. Wir nennen das Carrier-to-Carrier-Geschäft. Diese Leitungen sind auch wichtig für den eigenen Internet-Traffic.
Doch die starke Bündelung der internationalen Datenströme scheint uns, zunehmend riskanter zu werden. Daher haben wir uns vor Kurzem entschieden, unsere Haupttrassen an einen weiteren Peering-Punkt in Amsterdam anzuschließen, zu diesem Knotenpunkt gab es bereits geeignete Leitungen. So schaffen wir Sicherheit durch Redundanz. Denn Kunden haben uns gefragt: Was passiert, wenn in Frankfurt alles dunkel ist? Oder tatsächlich Glasfaser-Kapazitäten ausfallen, weil es einen technischen Defekt gibt? Diese Kunden sorgten sich einfach um die hohe Konzentration des Datenverkehrs in Frankfurt. Unser neuer „Backbone“ nach Amsterdam ist die Antwort.

 

Interview: Ingo Leipner; Bild: PFALZKOM