Geprägt von Entwicklungskonzepten stärkt die Region Westpfalz die eigene Zukunftsfähigkeit. „Go West: Neue Gewerbestandorte zwischen Saar und Rhein“ – ist das mehr als nur ein Versprechen? Dieser hügelige, bewaldete Landstrich kann mit einem günstigen Preisniveau und starken Netzwerken punkten.

Von Joachim Klaehn

Kaiserslauterns Bahnhofsgegend ist kein Hingucker. Und der Blick hoch zum Fritz-Walter-Stadion erzeugt zwiespältige Gefühle. Das Millionengrab auf dem „Betze“ thront über der Stadt – wie ein Wahrzeichen und Mahnmal. Lässt man alle sportlichen Krisen und Wellentäler beiseite, dann lässt sich festhalten: „Lautern“ hat sich als größte Stadt der Westpfalz und moderner Hotspot von Unternehmen und Wissenschaft einen erstklassigen Namen gemacht. Das liegt an der bodenständig-zupackenden Art der Pfälzer, aber auch am glücklichen Umstand kurzer Dienstwege. Denn rechts im Bahnhofstrakt befinden sich die Büros der Planungsgemeinschaft Westpfalz (PGW) – und schräg vom Hauptbahnhof gegenüber der im April 2012 gegründeten ZukunftsRegion Westpfalz e.V. (ZRW).
Beide Institutionen ergänzen sich idealtypisch: Während sich die PGW seit über 40 Jahren um die Regionalplanung für raumordnerisch und planungsrechtlich zu sichernde Gewerbe-, Industrie- und Brachflächen kümmert, bildet das Netzwerk ZRW eine Plattform, die Brücken im Bereich der Regionalentwicklung unter den aktuell 460 Mitgliedern schlägt, die Zusammenarbeit verbessert und für attraktive Rahmenbedingungen sorgt. „Wir wollen die Menschen, Vereine, Unternehmen, Hochschulen, ja die Bevölkerung mitnehmen und abholen. Eine starke Verankerung und Identifikation in der Region trägt wesentlich zum Erfolg eines Wirtschaftsstandortes bei“, sagt Dr. Hans-Günther Clev, ZRW- und PGW-Geschäftsführer in Personalunion. Namhafte Mitglieder wie der FCK, die TSG, viele Unternehmen, Mittelständler und Start-ups, das Polizeipräsidium und die Kulturszene sind in der ZukunftsRegion Westpfalz vernetzt.
Die Planungsregion Westpfalz, eine unter insgesamt fünf in Rheinland-Pfalz, ist in sieben unterschiedliche Gebietskörperschaften untergliedert, die wiederum die kreisfreien Städte Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken und vier Landkreise (Kaiserslautern, Südwestpfalz, Donnersbergkreis und Kusel) bilden. Die Gesamtfläche beträgt 3084 km², somit ist man etwas größer als das benachbarte Saarland (2569 km²). Aktuell sind 43 km² an Gewerbe- und Industrieflächen ausgewiesen. „Dies sind lediglich 1,4 Prozent der Gesamtfläche“, berichtet Stefan Germer, PGW-Referent für Regionalentwicklung und Diplom-Geograf, „jetzt satteln wir nochmals rund 480 Hektar drauf, was wiederum einer Steigerung von 11,5 Prozent dieser bestehenden Flächen entspricht. Damit dürfte aber mittelfristig unser Potenzial an Gewerbe- und Industrieflächen ausgeschöpft sein.“

Take off einer Galaxy von der Airbase Ramstein: Die US-Streitkräfte spielen in der Pfalz eine enorm große Rolle.

 

Historisch wie wirtschaftlich betrachtet spielen die US-Streitkräfte in der Pfalz eine enorm große Rolle. Neben den 520 000 Menschen der Westpfalz leben dort unverändert 50 000 amerikanische Staatsbürger sowie andere Bürger aus NATO-Mitgliedsstaaten. Leerstehende Konversionsflächen sind kein Thema, da die militärischen Liegenschaften wegen der internationalen Krisensituation durchweg von Airforce und Army selbst genutzt werden. Siehe Ramstein, das Hauptquartier der amerikanischen Luftwaffe. Ein Drehkreuz für Transportgeschwader, das Einsätze in drei Kontinenten vorbereitet. An vielen Tagen des Jahres ist die perlenschnurartige Flugbewegung am Pfälzer Himmel nicht zu übersehen. Die Kaiserslautern Military Community (KMC) ist zudem der größte US-Militärstützpunkt außerhalb der USA. Im Stadtteil Einsiedlerhof kann man durch Klein-Amerika flanieren. Die Westpfalz gilt als englischsprachigste Region Deutschlands. Das neue US-Hospital Weilerbach im Kreis Kaiserslautern soll knapp 1,6 Milliarden Euro kosten. „Die Amerikaner gehören hierher“, so Clev, „denn sie sind und bleiben ein enormer Wirtschaftsfaktor.“
Dass sich die Bedürfnisse der Amerikaner auf die Preise im Immobilienbereich und Wohnungsbau auswirken, unterliegt der Logik von Bedarf und Nachfrage – und spiegelt sich in den gewerblich-industriellen Flächen wider. US-Soldaten und -Zivilbedienstete kehren als Entrepreneure häufiger in die Westpfalz zurück. Im Vergleich zu den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar, der Region Trier, dem Saarland (mit einer doppelt so hohen Bevölkerungsdichte!) sowie der Vorderpfalz sind die Preise für Flächen immer noch moderat bis günstig. „Die Nachfrage schwappt zu uns rüber“, berichten Clev und Germer unisono, „auf diesen Trend der letzten zehn Jahre haben wir lösungsorientiert reagiert.“
Eine erste Gewerbeflächenpotenzialanalyse (2016) für zwei Gebietskörperschaften – zwei weitere Studien folgten – deckten dann in der Summe die ganze Region ab. Allerdings passte eine weitere vom Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz für das ganze Land beauftragte Studie nur teilweise damit überein. Was also tun? Die Dokumente wurden abgeglichen, die Regionalplaner schauten sich alle Flächen vor Ort akribisch genau an, ordneten diese nach raumordnerischen Kriterien und erstellten ein abgestimmtes Portfolio, das im Sommer 2023 an alle Städte und Ortsgemeinden zur Vorprüfung verschickt wurde. Mit Ergebnissen der daraufhin beauftragten Strategischen Umweltprüfung (SUP) rechnen Clev und Co. diesen Herbst.
Ein Meilenstein im langwierigen Prozess der Identifikation, Feststellung, Freigabe und Planung von Flächen ist somit gesetzt. Gemeinden und Städte wurden von der Planungsgemeinschaft aufgefordert, interkommunale Zweckverbände zu bilden, um Strukturschwächen, Vermarktungsprobleme und kleinteilige Insellösungen zu kompensieren. Eine Clusteranalyse ist hier essentiell. Wer von den Interessenten sucht was genau? Welche Branchen sind bereits ansässig? Welche zukunftsträchtig? „Eine Tabelle mit dem Anforderungsprofil von Branchen und dem Profil der Standorte ist unabdingbar. Dadurch bekommen wir das Matching hin und vermeiden unnötige Reibungsverluste. Wir wollen schließlich, dass die Flächen bestmöglich genutzt werden“, sagt der leitende Planer und promovierte Ingenieur Clev.
Gewerblich-industrielle Ausweisungsräume sind schon in der vorangegangenen Teilfortschreibung des Raumordnungsplans erkennbar. In den Landkreisen Kusel (Gemarkung Schellweiler), Donnersbergkreis (Kirchheimbolanden-Bischheim, Winnweiler), Kaiserslautern (Katzweiler, Weilerbach, Ramstein-Miesenbach, Fleischackerloch in Landstuhl) und rund um das Oberzentrum Kaiserslautern (Schweinsdell-Europahöhe, Siegelbach Süd und Erfenbach) seien „Standorte grundsätzlich geeignet“ für die Ansiedlung von Gewerbegebieten. Nur wenig Spielraum besteht hingegen im 1992 von der UNESCO anerkannten Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen, dem größten Waldgebiet Deutschlands.
Für Aufsehen sorgt in diesem Jahr der US-Pharmakonzern Eli Lilly. Eine Produktionsstätte mit 1000 Arbeitsplätzen sollen Alzey und dessen Umgebung aufwerten. Kirchheimbolanden wird von der wirtschaftlichen Wucht eines internationalen Pharmariesen mitprofitieren. Während Bauplätze für Eli-Lilly-Firmenangehörige ab 2027 keine Hürde darstellen sollten, sieht es mit Gewerbeflächen in Alzey und „Kibo“ anders aus. Immerhin hat Kirchheimbolanden signalisiert, dass in der Nähe des Logistikzentrums BorgWarner ein 14 Hektar großes Areal entstehen könne. „Die Ansiedlung von Eli Lilly“, prognostiziert Clev, „wird sich auf unsere gesamte Region auswirken. Zum Beispiel gilt es die Frage zu klären, wie wir das auf dem Wohnungsmarkt begleiten können.“

Blick auf das Gewerbegebiet in Pirmasens: Aufgrund der großen Nachfrage der vergangenen Jahre sind auch in der Westpfalz die Gewerbeflächen knapp geworden. Weitere potentielle Flächen für Gewerbe in der Region werden derzeit geprüft.

Blick auf das Gewerbegebiet in Pirmasens: Aufgrund der großen Nachfrage der vergangenen Jahre sind auch in der Westpfalz die Gewerbeflächen knapp geworden. Weitere potentielle Flächen für Gewerbe in der Region werden derzeit geprüft.

Der Standort einer Tesla-Gigafactory auf dem Flughafen Zweibrücken hätte die Herausforderung schlechthin für die Zukunftsregion Westpfalz bedeutet. 2017 hatte sich eine vereinsinterne Arbeitsgruppe mit Unterstützung des Büros HCP Grauwild für dieses Megaprojekt beworben. Unter 450 (!) europaweiten Kandidaten schafften es die Westpfälzer unter die besten Drei – und wurden vom Standort in Berlin-Brandenburg in der Finalrunde abgefangen. „Das war eine sehr internationale, lehrreiche Erfahrung für uns, auch was das Auftreten von politischen Akteuren anbetrifft“, blickt Hans-Günther Clev zurück. Trotz des knappen Scheiterns habe das Tesla-Kapitel die Attraktivität des Investitionsstandortes Westpfalz und die kollektiven Qualitäten nachdrücklich belegt.
Jüngste Erfolgsstory: Im Juni wurde der Geschäftsführer von ZRW und PGW ins Headquarter der OECD nach Paris eingeladen. Dort stellte Clev die Zukunftsregion Westpfalz vor Teilnehmern aus der ganzen Welt vor. „Für uns war dies ein Imagegewinn – und schon so etwas wie der Ritterschlag“, sagt er.
„Go West“ – Wirtschaftspower, Innovationskraft und Zukunftsvisionen sind im „Silicon Wood“ trotz begrenzter Gewerbeflächen vorhanden. Und dass im Westen viel Neues entsteht und somit etwa auf den Strukturwandel reagiert wird, ist im innovativen Wettbewerb der Regionen zwischen Saar und Rhein unverkennbar. Hightech im „Grünen“ – mit pragmatisch-pfälzischen Konzepten – scheint zukunftsfähig zu sein.

Bilder: Gérard Stammler; Harald Kröher