Noch dringt kein Blick ins Innere dessen, was schon bald Ticketcenter, Merchandising-Store und Treffpunkt für Basketball-Fans in der Heidelberger Weststadt sein soll. Die riesigen Fensterflächen in der Bahnhofstraße 34 sind verklebt, neben dem Logo der MLP Academics ist „coming soon“ zu lesen. Drinnen ist die Ungeduld spürbar, denn sie sind ja längst da. „Eigentlich war alles schon fertig“, seufzt Till Riedel, Geschäftsführer des Basketball-Bundesligisten. Doch vor Weihnachten kam der Wasserschaden … Präsenz in der Stadt ist Teil der Strategie des Basketball-Bundesligisten. Der Fan-Store in bester Lage soll das Team noch sichtbarer machen.
Sportlich sorgt es ohnehin für Aufsehen. Sie sind gekommen, um zu bleiben, daran lassen die MLP Academics keinen Zweifel. Der erneute Klassenerhalt ist das erklärte Ziel im zweiten Jahr in der Basketball-Bundesliga. Vor der Saison hatte es einen radikalen Umbruch gegeben: Der langjährige Trainer Branislav „Frenki“ Ignjatovic musste gehen, als Nachfolger wurde der Finne Joonas Iisalo geholt.

Binnen weniger Monate hat der 37-Jährige aus zahlreichen neuen Spielern ein Team geformt, das begeisternd offensiv spielt, aufopferungsvoll kämpft und auch den besten Teams der Liga bis zur Schlusssirene Paroli bietet – wie zuletzt bei der 86:94-Heimniederlage gegen Tabellenführer Alba Berlin im ausverkauften SNP Dome. „Mit der Entwicklung der Mannschaft sind wir absolut zufrieden“, sagt Matthias Lautenschläger, der geschäftsführende Gesellschafter der Academics, und bekennt: „Rein sportlich betrachtet ist die zweite Saison schwerer als die Aufstiegssaison. Als wir in die Liga kamen, galten wir als Abstiegskandidat Nummer eins. Aber dank der Euphorie des Aufstiegs haben wir vier der ersten fünf Spiele gewonnen.“

2010 war der heute 42-jährige Diplom-Betriebswirt ins Management des damaligen Zweitligisten eingestiegen. Die Professionalisierung von Mannschaft und Umfeld hat er maßgeblich mitgeprägt, zusammen mit Heidelberger Basketball-Urgesteinen wie Harry Rupp und Co-Geschäftsführer Thomas Riedel.

Seit dem Aufstieg 2021 leitet dessen Sohn Till Riedel das operative Geschäft. Alex Vogel, gebürtiger Heidelberger, ergänzt als sportlicher Berater das Leitungsgremium der MLP Academics. Der Sportmanager und TV-Experte ist gut vernetzt in der Szene – neben der Kaderplanung soll er auch in der Nachwuchsförderung neue Impulse setzen. Die Entscheidung, den auslaufenden Vertrag mit Trainer Ignjatovic nicht zu verlängern, sei „emotional schwergefallen, aber notwendig und richtig“ gewesen, bekennt Lautenschläger: „Frenki hat hier hervorragende Arbeit gemacht. Aber mit Blick auf die Zukunft wollen wir einen moderneren, attraktiveren Spielstil etablieren.“

Der im Profisport weit verbreiteten Versuchung, für den kurzfristigen sportlichen Erfolg ausschließlich ins Team zu investieren, wurde bisher widerstanden. „Das Team hinter dem Team ist entscheidend, um langfristig erfolgreich zu sein“, sagt Lautenschläger. „Natürlich ist der Ausbau des Backoffice oder auch der neue Fanstore finanziell herausfordernd. Aber das zahlt sich aus, denn diese Strukturen bleiben uns dauerhaft erhalten.“ Schließlich soll das Saisonziel nicht für alle Zeiten der Klassenerhalt bleiben. Mittelfristig peilen die Academics die Teilnahme an den BBL-Playoffs und das obere Tabellendrittel an, zumal pünktlich zum Aufstieg 2021 auch der neue SNP Dome fertig wurde. Seit dem Ende der Corona-Beschränkungen darf er mit bis zu 4136 Zuschauern gefüllt werden. Das spült Heimspiel für Heimspiel Eintrittsgelder im fünfstelligen Bereich in die Kasse und bietet Sponsoren eine attraktive Plattform. Denn: Famose Neuzugänge wie der US-amerikanische Spielmacher Eric Washington, sein Landsmann Tim Coleman oder Max Ugrai, der aus Bremerhaven kam, sorgen für spektakuläre Aktionen auf dem Parkett.

Die heutigen Erfolge knüpfen an große Leistungen in der Vergangenheit an: Neunmal waren die Basketballer deutscher Meister, damals noch unter ihrem Namen Universitäts-Sportclub Heidelberg (USC), und zwar in den Jahren 1957 bis 1962 sowie 1966, 1973 und 1977. Dann begann der Niedergang. Vereinschronist Peter Wittig notiert über den Beginn der 1980er-Jahre: „Die Zeiten hatten sich eben geändert: Nicht Studienmöglichkeit, akademisches Umfeld, reizvolle Stadt und Aussicht auf einen Titel bestimmten nun den Kader, sondern finanzielle Möglichkeiten, die nun einmal bei einem Universitäts-Sportclub im Gegensatz zu einem von einem Weltkonzern gesponserten Verein eng begrenzt sind.“ Basketball-Insider wissen, auf wen er anspielt: Bayer Leverkusen, die später „Giants“ hießen, inzwischen aber auch auf ProA-, also Zweitliganiveau geschrumpft sind. Doch auch den eigenen Club trifft Wittigs feine Ironie: Um Spielern ordentliche Gehälter zu zahlen, „bedurfte es zahlungskräftiger und -williger Sponsoren, die zu gewinnen man sich als USC per se schwertat, was zumindest nicht nur mit akademischer Zurückhaltung begründbar ist“.

So folgte dem Abstieg in die zweite Liga 1988 der bittere Gang in die Drittklassigkeit. Doch es gelang, das einstige USC-Aushängeschild zu konsolidieren: 1994 schaffte das Team den Wiederaufstieg in die zweite Liga. Zum Wirtschaftsunternehmen wurden die Basketballer erst nach der Jahrtausendwende: 2007 wurde die erste Mannschaft in eine GmbH ausgegliedert und Mitglied der neu gegründeten zweiten Liga ProA. 2012 stieg die MLP AG als Haupt- und Namenssponsor der MLP Academics ein. Für die Initialzündung zur Erweiterung der Unterstützerbasis sorgte 2017 allerdings ein Gast aus München: Uli Hoeneß, der nicht nur die Fußballer des FC Bayern groß machte, sondern auch die Basketballer des Vereins in der deutschen Spitze etablierte.

„Ich hatte einen Artikel gelesen, in dem er mehr Clubs auf höchstem Niveau forderte, um das Produkt Basketball-Bundesliga zu stärken. Also habe ich ihn angeschrieben, ob er uns nicht helfen könnte“, erzählt Lautenschläger. Im Rahmen eines Auswärtsspiels der Fußball-Bayern bei 1899 Hoffenheim kam ein Treffen zustande. Sechs Stunden habe Hoeneß sich Zeit genommen, in großer Runde einen inspirierenden Vortrag gehalten und potenzielle Sponsoren für ein Engagement begeistert – alles ohne Honorar oder Spesen. „Das war ein Kick-off, der uns richtig Auftrieb gab“, freut sich Lautenschläger.

Der Saisonetat hat sich mit dem Aufstieg mehr als verdreifacht – dem Vernehmen nach auf rund 3,5 Millionen Euro, die zu zwei Dritteln aus Sponsorengeldern erwirtschaftet werden. Ein Mindestetat von drei Millionen ist Bedingung für die Teilnahme an der BBL. Ungefähr das Doppelte, rund sechs bis sieben Millionen Euro, dürften aktuell nötig sein, um das Team zu einem sicheren Playoff-Kandidaten zu machen.

Die Geschäftsführer sind optimistisch. Schließlich sei Basketball, so Riedel, „eine attraktive, coole Sportart mit freundlicher Atmosphäre und hohem Zuschauerpotenzial“. Lautenschläger setzt auf die wirtschaftliche Stärke in der Region: „Unser Hauptfokus liegt auf der Wirtschaft vor Ort, aber auch auf überregionalen Partnern, die von den steigenden TV-Reichweiten der Liga profitieren.“

Text: Ute Maag; Bild: MLP