Johannes Kliesch hat mit SNOCKS in wenigen Jahren ein Millionen-Unternehmen im Bereich Basic-Bekleidung in Mannheim aufgebaut – mit klarem Fokus auf Produkt, Performance und Unternehmenskultur. Im Interview spricht der CEO über Erfolgsstrategien, Learnings aus Fehlschlägen, seine nächsten unternehmerischen Schritte und warum er nicht an die Zukunft von LinkedIn glaubt.
Von Katja Bauroth
Johannes, wenn ich Ihre unternehmerischen Gedanken in diesem Moment lesen könnte, welchen nächsten geplanten Coup würde ich da sehen?
Johannes Kliesch: Wenn es rein um das Finanzielle, Wirtschaftliche geht, dann ist es die nächste Firma, die wir kaufen wollen. Ich schaue mir jeden Tag ein bis zwei Unternehmen an, die wir kaufen könnten – aber da muss man leider 100 Frösche küssen, bis ein Prinz dabei ist, deshalb ist es gerade noch nicht so spannend. Für den Moment interessanter ist, dass wir ein Yoga-Studio auf Bali eröffnen wollen.

An der Seite von Johannes Kliesch (r.) in der Geschäftsführung steht mittlerweile Rehan Choudhry, mit dem er auch den Berliner Activewear-Anbieter OCEANSAPART aus der Insolvenz gekauft hat. Bild: SNOCKS
Ein Yoga-Studio? Welche Idee steckt dahinter?
Johannes Kliesch: OCEANSAPART ist eine Marke, die sich auf Activewear für Yoga und Pilates spezialisiert. Deshalb die Idee mit dem Yoga-Studio. Der genaue Ort auf Bali steht aber noch nicht fest.
Als Sie mit Ihrem Cousin Felix vor neun Jahren SNOCKS gründeten, hatten Sie vor allem eine Vision: finanzielle Unabhängigkeit. Die dürfte erreicht sein, oder?
Johannes Kliesch: Ja. Die habe ich mehr erreicht, als ich mir je hätte vorstellen können.
Ihr wolltet damals die perfekten Sneaker-Socken produzieren. Welche Kernwerte habt Ihr Euch zugrunde gelegt, damit daraus SNOCKS wird?
Johannes Kliesch: Wir haben uns damals komplett aufs Produkt fokussiert. Der amerikanische Marktführer hatte Socken mit ganz verrückten Designs, das hat sich für uns nicht richtig angefühlt. Wir wollten cleane Socken, die im Schuh unsichtbar sein und nicht rutschen sollten.
Euch war schon klar, dass Ihr Euch in ein Haifischbecken begebt – gerade Underwear ist ja ein Riesenmarkt. Was hat Eure Überzeugung gesteuert, hier dennoch erfolgreich zu sein?
Johannes Kliesch: Wir haben uns nur auf Amazon konzentriert und deshalb war es für uns gar nicht so ein riesiges Haifischbecken. Wir haben uns nicht den gesamten Sockenmarkt gesehen, sondern unsere fünf, sechs, sieben Konkurrenten, an denen wir uns hochgehangelt haben. Wir sind Schritt für Schritt gegangen – klein angefangen, aus einer Nische heraus und dann größer geworden.

Mit der Idee für perfekte Sneakersocken startete 2016 das Unternehmen SNOCKS aus Mannheim. Bild: SNOCKS
Wie motiviert man sich nach den ersten Rückschlägen?
Johannes Kliesch: Es hat einfach Fucking Spaß gemacht. Punkt. Es hat sich wie ein Computerspiel angefühlt, und wir hatten nichts zu verlieren.
Ehrlich: War Glück dabei, dass Ihr im dritten Anlauf die Retro-Welle getroffen hattet, die zum Erfolg verhalf, oder war es Kalkül?
Johannes Kliesch: Unsere Retrosocken waren beim ersten Anlauf ein absoluter Flop. Wir waren viel zu übermütig und haben gedacht, dass die Menschen Socken mit dem SNOCKS-Schriftzug feiern würden, aber: Es hat keinen interessiert. Die hätten wir eigentlich schon fünfmal einstellen müssen, aber es war das Lieblingsprodukt von Felix und deshalb ist es bis heute aktiv. Mittlerweile ist es bei den verkaufsstärksten Produkten auf Platz 15 – also immer noch kein Bestseller.
Welche Innovationsansätze verfolgt Ihr, um Euch von anderen Marken in diesem Bereich abzuheben?
Johannes Kliesch: Unsere Innovationkraft liegt im Marketing, in unseren Sales-Channels, aber auch in der Kultur, also wie wir intern miteinander umgehen. Und als nächstes steht das große Thema Automatisierung auf dem Plan: Wir wollen AI zu unserem Steckenpferd machen.
Ihr setzt auf E-Commerce und das enorm erfolgreich: Verraten Sie drei Eckpfeiler, warum genau das für Ihre Produktpalette funktioniert?
Johannes Kliesch: Socken an sich sind einfach perfekt für E-Commerce: Sie brauchen wenig Lagerplatz, führen zu einem hohen Wert im Warenkorb und die Menschen müssen sie nicht vorher anprobieren wie andere Fashion-Produkte.

Das Portfolio von SNOCKS wächst permanent. Bild: SNOCKS
Welche Rolle spielt Social Media in Eurer Markenstrategie und wie habt Ihr es geschafft, eine so starke Community aufzubauen?
Johannes Kliesch: „Starke Community“ klingt für mich immer sehr, sehr hochtrabend. Nichtsdestotrotz macht Social Media etwa die Hälfte unseres Umsatzes aus und spielt damit eine wichtige Rolle. Entscheidend ist hier die Kontinuität der letzten acht bis neun Jahre, wir haben ab dem ersten Tag auch direkt bei Instagram angefangen. Aber man muss auch dazu sagen: Gemessen an unserem Umsatz ist unser Instagram-Account noch relativ klein.
Was sind die größten Herausforderungen, wenn es darum geht, in einem so wettbewerbsintensiven Markt wie dem Online-Bekleidungsmarkt hervorzutreten?
Johannes Kliesch: Auf jeden Fall die Schnelllebigkeit. Vor neun Jahren haben wir unsere Socken nur über Amazon verkauft, heute macht das weniger als fünf Prozent unseres Umsatzes aus. Das heißt, wir müssen uns jeden Jahr neu erfinden und neue Channels erschließen. Es ist challenging, immer so schnell und dynamisch zu sein.
Dennoch flimmern SNOCKS-Fernsehspots zur besten Sendezeit über den Screen. Sehen Sie den TV-Kanal als genauso starke Werbeplattform wie die Social-Kanäle?
Johannes Kliesch: Für Social-Media-Ads geben wir aktuell etwa eine Million Euro pro Monat aus, für TV etwa 200.000 bis 300.000 Euro. Die Fernsehspots kommen also noch nicht an Social-Media-Werbung ran, aber es ist auf jeden Fall der Channel, den wir letztes Jahr mit am meisten zum Wachsen gebracht haben.

Content-Produktion: „Für Social-Media-Ads geben wir aktuell etwa eine Million Euro pro Monat aus, für TV etwa 200.000 bis 300.000 Euro.“ Bild: SNOCKS
Wie sammelt Ihr Kundenfeedback und wie beeinflusst dieses die Weiterentwicklung Eurer Produkte?
Johannes Kliesch: Das holen wir uns auf allen Kanälen: bei Google, über unser internes Tool für Kunden- und Kundinnen-Feedback, auf anderen Marktplätzen, also an ganz vielen verschiedenen Stellen.
Welche Strategien verfolgt Ihr, um die Kundenbindung langfristig zu stärken?
Johannes Kliesch: Wir haben ein Loyalty-Programm, wir haben alleine drei Vollzeitkräfte für die Qualitätsverbesserung, wir haben rund um die Uhr Kundenservice, immer wieder neue Produkte, Events, Zusammenarbeit mit Influencern – also ganz, ganz viele Einzelbausteine.
Kürzlich posteten Sie auf LinkedIn zu eurem zugekauften Unternehmen: „Mit Facebook-Ads bei OCEANSAPART sind wir auf die Fresse geflogen. Das Influencer-Marketing dagegen zündete.“ Wie geht Ihr beim Austarieren vor, wieviel Zeit gebt Ihr Kampagnen und werden Sie nervös, wenn etwas nicht funktioniert? Wie schnell reagiert Ihr auf die Learnings?
Johannes Kliesch: Nee, wir werden nicht nervös, aber auf LinkedIn muss man auch mal Fuck-ups teilen. Im Hintergrund sind wir schon drei Schritte weiter, und wir glauben an uns. Wir haben es bei SNOCKS geschafft, obwohl es keiner geglaubt hat, und wir werden es auch bei OCEANSAPART schaffen. Das hört sich gerade wie eine große Katastrophe an, aber „we are on the right track, we just need some time“.
In einem Podcast sagten Sie jüngst: LinkedIn wird in fünf Jahren so nicht mehr funktionieren. Warum?
Johannes Kliesch: Weil da super viele Schaumschläger unterwegs sind und AI den Content killt. AI ist schon so gut bei Texten, ich würde sagen, schon ein Drittel aller LinkedIn-Posts sind mit AI generiert oder davon unterstützt und somit wird das immer generischer. Ich glaube, dass Video überall – auch auf LinkedIn – immer wichtiger wird. Deshalb poste ich ja auch selbst immer mehr Videos und investiere so viel Zeit in Youtube-Longform. LinkedIn-Beiträge werden austauschbar.

Wohlfühlkonzept auch im Arbeitsalltag: Einblicke in die SNOCKS-Unternehmenswelt. Bild: SNOCKS
Sie stehen stark in der Öffentlichkeit, sind ein gefragter Speaker, ein Vorbild für viele Start-ups. Macht Ihnen Ihr Erfolg manchmal Angst?
Johannes Kliesch: Angst? Nö. Kann ich ehrlich so sagen.
Nicht jeder kann mit Druck, den Erfolg mit sich bringt, umgehen – wie schaffen Sie das und woher holen Sie sich Ihre Erdung und Ihre Energie?
Johannes Kliesch: Ich hole mir beides jeden Sonntag bei meiner Frau und unseren Hunden. Und eigentlich auch samstags; am Wochenende arbeite ich so gut wie gar nicht und komme da zur Ruhe. Ich achte auch sehr auf meine Gesundheit, bin sportlich … ich liebe auch einfach meinen Job. Ich mache das seit acht, neun Jahren, und mir macht es nach wie vor Spaß, obwohl ich nicht mehr arbeiten müsste. Ja, ich lieb’s einfach.
Auf LinkedIn sorgen Sie immer wieder für schöne Diskussionen – etwa mit Postings wie: „Bei uns können Spezialisten mehr verdienen als Führungskräfte.“ Erklären Sie Ihren Ansatz für Ihr Miteinandermanagement?
Johannes Kliesch: Mir wurden selbst in einer Bank die Entwicklungschancen verwehrt, deswegen ist mir unsere Kultur ganz wichtig. Ein Drittel meiner Arbeitszeit beschäftige ich mich mit HR-Themen, denn ich bin heutzutage nur noch einer von 150 Leuten. Deshalb ist es unglaublich wichtig, dass ich ein Blick drauf habe, wie die Leute miteinander arbeiten. So kommt es, dass bei uns manche Spezialisten mehr verdienen als Führungskräfte. Nur, weil du Personalverantwortung hast, heißt es nicht, dass du automatisch viel mehr verdienst als andere. Alleine zu diesem Thema könnte man ein ganzes Interview machen.

Das „SNOCKS Coffee“ in der Lameystraße in Mannheim ist ein In-Place in der Quadratestadt. Bild: SNOCKS
In einem weiteren Posting haben Sie aufgeführt, dass SNOCKS 2024 für Teambenefits 619.893,33 Euro ausgegeben hat, da gehören Weiterbildungen genauso dazu wie ein Teamtrip nach Österreich. Ich vermute, einigen Unternehmern, die das jetzt lesen, fällt die Kinnlade runter. Wie wirkt sich ein solcher Baustein auf den Erfolg aus?
Johannes Kliesch: Man kennt vor allem über LinkedIn von uns die Mario-Kart-Kultur, und wenn Leute zu uns ins Büro kommen, sagen sie: „Ich finde krass, wie ruhig es hier ist und wie konzentriert hier alle arbeiten.“ Es ist ein blöder Spruch, aber: work hard, play hard. Die Leute haben bei uns Spaß und können feiern, aber sie legen auch einen Schalter um, hustlen und geben unfassbar Gas. Von daher lohnt sich diese Investition auf jeden Fall. Ich habe ganz am Anfang zu unseren Investoren gesagt, dass ich über dieses Budget nicht diskutieren will und bis heute haben sie die Diskussion nie wieder angefangen.
Beschreiben Sie mir in wenigen Worten Ihre Philosophie von zeitgemäßen Mitarbeitermanagement und einer Unternehmenskultur, die eine Firma auch wirklich voranbringt? Braucht es die Firmenfamily?
Johannes Kliesch: Wir haben nicht mehr so eine enge Firmenfamily wie früher, weil wir so viele Leute geworden sind. Aber unsere Philosophie ist nach wie vor: work hard, play hard, und wir haben eine krasse Performance-Kultur. Wer was erreichen will im Leben – unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft, kommt zu SNOCKS. Wenn du einfach nur ein gechilltes Leben haben willst, dann bist du bei SNOCKS definitiv falsch.
Wie halten Sie es in Ihrem Unternehmen mit New Work? Sind Homeoffice, Vier-Tage-Woche und Arbeiten am individuell schönsten Ort der Welt präsent?
Johannes Kliesch: Ich bin ein Verfechter von „work smart“, die Vier-Tage-Woche kann mal sein. Aber auf Dauer würden wir in Deutschland damit viel zu sehr den Anschluss verlieren im Vergleich zu anderen Ländern.
Warum tun wir uns, warum tun sich Unternehmen in Deutschland Ihrer Meinung nach so schwer mit dem Thema New Work? Fehlt uns Grundvertrauen?

SNOCKS lässt nach eigenen Aussagen in China, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka und in der Türkei produzieren. „Einer der größten Irrtümer in Sachen Nachhaltigkeit: Produktion in Asien ist immer schlecht, Produktion in Europa immer gut. So einfach ist es nicht“, heißt es dazu auf der Internetseite snocks.com. Bild: SNOCKS
Johannes Kliesch: Das interessiert mich gar nicht so sehr, ehrlich gesagt. Ich finde, die ganzen HR-Themen wie New Work sind auch ganz viel Blabla. Macht doch mal, setzt doch mal was um! Wir setzen es um, seit wir die ersten Vollzeitleute haben. Aber ich will gar nicht drüber reden, weil das für mich so selbstverständlich ist. Deswegen haben wir 1000 Bewerbungen im Monat – die Leute haben Bock, bei uns zu arbeiten, weil es andere verkacken.
Finden Sie nicht auch, dass wir grundsätzlich viel zu viel jammern? Geht es uns aus Ihren Sicht in Deutschland wirtschaftlich wirklich so schlecht?
Johannes Kliesch: Uns bei SNOCKS geht’s Hammer, da gibt’s nix zu jammern. Wir sind letztes Jahr um 14 Millionen gewachsen, wir haben eine andere Firma gekauft, wir haben über 20 Millionen auf dem Konto – es gibt zumindest bei uns wirklich keinen Grund zu jammern.
Welche Rolle spielt beim Markenaufbau eigentlich das „SNOCKS Coffee“ in Mannheim? Wird es davon künftig in anderen Städten dieser Welt Ableger geben?
Johannes Kliesch: Wir könnten uns vorstellen, mehr davon zu eröffnen. Wir hatten gerade einen Betreiberwechsel, weshalb ich operativ gerade tief drin bin und versuche, Gastronomie noch besser zu verstehen. In Kombination mit dem Yoga-Studio, das wir eröffnen wollen, sind wir gerade dabei, vieles über das Offline-Betreiben von eigenen Läden zu lernen.
Auf welches nächstes Ziel zeigt die SNOCKS-Kompassnadel?
Johannes Kliesch: Neue Firma kaufen, Internationalisierung, Automatisierung.
Was würden Sie anderen jungen Unternehmern als ersten Schritt empfehlen, die eine ähnliche Firma wie Sie gründen möchten?
Johannes Kliesch: Kommt auf Gründertreffen, tauscht euch aus – geht nicht nur auf Speaker-Events, sondern schaut euch an, wie es wirklich ist. Und lasst euch von LinkedIn nicht irritieren. Genießt es; der Weg ist das Ziel.
Welchen weiteren Traum möchten Sie sich gern als nächstes erfüllen?
Johannes Kliesch: Weitere Unternehmen kaufen, damit wir das „House of Brands“, was wir mit SNOCKS aufbauen wollen, immer größer und größer zu machen.