Christoph Kutzner ist Gründer und CEO des regionalen Startups Badische Peptide & Proteine GmbH in Heidelberg. Im econo-Redaktionsgespräch schildert er, warum Protein-Bausteine für den Lebensmittelbereich, die Landwirtschaft, Pharmazie und medizinische Diagnostik so effektvoll sind.
Herr Kutzner, der Name Badische Peptide & Proteine (BPP) verweist ganz bewusst auf die Region Nordbaden. Warum war es Ihnen wichtig, diese regionale Identität bereits im Firmennamen zu verankern?
Christoph Kutzner: Die Badische Peptide & Proteine ist ein Hochtechnologieunternehmen aus dem Bereich der nachhaltigen Zukunftstechnologien. Für diese Art von Innovationskraft ist unsere Region bekannt. Nicht umsonst führt Mannheim die Liste der eingereichten Patente pro Kopf in Deutschland an. Allerdings lösen wir das Akronym BPP für internationale Partner als „The Better Peptides Platform“ auf, weil das beispielsweise für chinesische Partner verständlicher ist.
„The Better Peptides Platform“ – was macht also die Peptide (kleine Eiweißmoleküle) der BPP besser als diejenigen von anderen Herstellern?
Kutzner: Unser Credo ist, dass wir gemeinsam mit der Natur besser sein wollen, nicht besser als die Natur. Das bedeutet zum einen, von der Natur zu lernen und zum anderen, schonend mit unseren natürlichen Ressourcen umzugehen. Bei der Peptidherstellung mit herkömmlichen Methoden fallen zum Teil große Mengen an umweltschädlichen Lösungsmittelabfällen an. Außerdem sieht das hergestellte Peptid oft nicht exakt genauso aus, wie es natürlicherweise in Zellen vorkommt. Dies ist aber unerlässlich für seine korrekte Funktionsweise. Daher habe ich einen Prozess entwickelt, bei dem am Schluss ein naturidentisches Peptid entsteht, unter Verwendung von regenerativen und ungiftigen Materialien wie Stärke und Seife – also Green-Deal-kompatibel.

Für die Wissenschaft im Einsatz: Christoph Kutzner und Erika Kutzner. Foto: Joachim Klaehn
Wofür brauchen wir überhaupt Peptide und Proteine?
Kutzner: Peptide und Proteine – größere Eiweißmoleküle, die aus mehr Aminosäuren aufgebaut sind als Peptide – sind die wichtigsten „Arbeitspferde“ in jeder Zelle, egal ob bei Menschen, Tieren, Pflanzen, Pilz oder Bakterium. Sie erfüllen vielfältige Aufgaben, die hormoneller, stoffwechselaktiver, immunologischer oder struktureller Natur sein können. Dementsprechend groß sind die Einsatzgebiete. In der Landwirtschaft als bio-abbaubare Pestizidalternative, in der Lebensmittelindustrie als Geschmacksmodulatoren zum Einsparen von Zucker oder als Wachstumsfaktoren zur Herstellung von Fleisch aus der Petrischale („cultured meat“). In Kosmetikprodukten finden sich zunehmend hautstraffende oder entzündungshemmende Peptide. Für den Bereich Human- und Veterinärmedizin gibt es unzählige Beispiele. Von Hormonen wie Insulin über Antikörper für die Krebstherapie bis hin zu Antibiotika und Impfstoffen.
Ihr Startup BPP konzentriert sich derzeit auf die Vermarktung von ganz besonderen Proteinen, den BPP Bioportiden – was können wir uns darunter vorstellen?
Kutzner: Die Bioportide habe ich aus meiner Basistechnologie heraus entwickelt. Sie helfen dabei, DNA oder RNA in verschiedenste Organismen und Zelltypen zu transportieren. Warum ist das wichtig? Zellen nutzen DNA beziehungsweise bestimmte RNA-Arten als Bauanleitung für andere Biomoleküle. Ein Beispiel: Bei der Covid-19-Impfung wird die in unsere Zellen eingebrachte mRNA dazu genutzt, Spike-Protein herzustellen, um damit unsere Immunzellen zu trainieren. Es gibt für einige Zelllinien gute Transportmethoden. Die funktionieren aber nicht bei allen Organismen gleich gut. Insbesondere bei exotischeren Organismen, die man zum Beispiel für die Herstellung von Bioplastik und Biokraftstoffen oder zum Abbau von Umweltgiften verwenden möchte, gibt es bisher nur unzureichende oder gar keine Möglichkeiten. In diesem Bereich konnten die BPP Bioportide™ bereits erste Erfolge erzielen und das möchten wir stark ausbauen.
Können Sie das näher erläutern? Geht es um gentechnische Veränderungen?
Kutzner: Nicht nur! Wir Menschen nutzen für viele industrielle Prozesse Mikroorganismen. Wenn wir wollen, dass eine Mikrobe eine bestimmte Aufgabe für uns übernimmt, müssen wir ihr das sagen. Eine Hefezelle, die in einem Lebensmittel Vergärungsprozesse auslöst, kann unterschiedliche Geschmacks- und Farbstoffe einbringen. Wir müssen ihr aber sagen, welche das sein sollen. Dazu müssen wir die Sprache der Hefezelle sprechen. Das geschieht mit Hilfe von DNA oder RNA. Wir tun das Gleiche, wenn wir uns einer mRNA-Impfung bedienen. Wir sagen unseren Zellen mit Hilfe der mRNA wie die Krankheit aussieht, gegen die sie sich wehren soll. DNA und RNA können aber die Zellhüllen nicht überwinden. Die BPP Bioportide™ sind ein Transportmittel für alle Nukleinsäuren, das sich an diese Stoffe bindet und dann mit ihnen „im Gepäck“ die Zellhüllen überwindet.
Woher wissen Sie, dass die BPP Bioportide™ so funktionieren, wie Sie es gerade beschrieben haben?
Kutzner: Wir haben uns die Proteinstruktur angesehen und festgestellt, dass sie meine Vermutungen zum Arbeitsmechanismus bestätigt. Wir wollen mit unserer Heidelberger Nachbarfirma BIMOVIS in Zukunft Experimente zu diesem Thema durchführen. Alle unsere Abbildungen zu BPP Bioportiden beruhen bisher auf mit Künstlicher Intelligenz generierten Strukturvorhersagen. Gemeinsam mit BIMOVIS können wir die realen Komplexe aus BPP Bioportiden™ und DNA oder RNA sichtbar machen.
Ist die Anwendung der BPP Bioportide™ auch für den medizinischen Bereich geplant?
Kutzner: Erste Vorexperimente in dieser Richtung wurden bereits durchgeführt, dabei zeigten die Bioportide eine geringe Toxizität für menschliche Zellen. Für ein solches Vorhaben benötigen wir aber externe Expertise und finanzielle Mittel. Wir konnten die Technologietransfer-Plattform InnovationLab in Heidelberg als Kooperationspartner und Unterstützer gewinnen. InnovationLab hat den Kontakt zu Forschern aus Heidelberg und Mainz hergestellt, die ein vielversprechendes Nukleinsäuretherapeutikum entwickelt haben. Dieses könnte im Komplex mit den Bioportiden ein wertvolles Medikament darstellen. Wir hoffen, dass die gemeinsam beantragten Fördermittel bewilligt werden und wir in diesem wichtigen Bereich einen Beitrag leisten können.

Badische Peptide & Proteine GmbH (BPP) ist ein junges Biotechnologie-Startup mit Sitz in Nordbaden, das sich auf die nachhaltige Herstellung funktionaler Peptide und Proteine spezialisiert hat. Foto: MRN/Tobias Schwerdt
Neben der Forschung sind auch Investoren wichtig. Wie stark spüren Sie die Unterstützung durch regionale Netzwerke wie etwa die PALATINA Business Angels, den Technologiepark Heidelberg und verschiedene Wirtschaftsförderungen?
Kutzner: Da die BPP nicht aus einem Institut oder einer Universität heraus gegründet wurde, hatten wir zu vielen öffentlichen und nicht rückzahlbaren Fördermitteln entweder keinen Zugang oder eine hohe Eigenbeteiligungsquote. Wie viele öffentliche Projektträger sind auch die regionalen Netzwerke und Institutionen mit ihren Angeboten eher auf das „Standard-Startup“ spezialisiert – damit ist die Gründung aus einer Universität heraus gemeint. Wir mussten daher den Weg wählen, die BPP mit unseren privaten Mitteln aufzubauen und schnellstmöglich ein umsatzstarkes Produkt auf den Markt zu bringen, was hoffentlich die BPP Bioportide™ sein werden. Mit diesen ersten Erfolgen können wir jetzt auch an private Partner herantreten. Die PALATINA Business Angels sind eine wunderbare Organisation, die uns mit ihren Kontakten und ihren unterschiedlichen Pitch-Veranstaltungen bereits sehr weitergeholfen hat.
Wie erleben Sie die regionale Gründungs- und Innovationskultur – ist das ein guter Standort für biotechnologische Startups?
Kutzner: Es herrscht eine enthusiastische Aufbruchstimmung. In der Region finden sich zahlreiche Akteure mit vielfältigen Angeboten für Startups. Gründungs- und Technologiezentren wie CUBEX, MAFINEX oder der Heidelberg Innovation Park bieten interdisziplinären Austausch, Kontaktanbahnungen und spannende Events an. So bekam ich die Möglichkeit, auf der Food.Focus.Future des Verbandes Food.net:z 2024 in Heidelberg einen Vortrag halten zu dürfen. Dies hat nicht nur zu mehr Bekanntheit der BPP in Fachkreisen geführt, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, meine Technologie einem fachfremden Publikum präsentieren zu können. Nach meinem Vortrag sprach mich Professor Wilfried Rosendahl an, ob die BPP nicht einen Teil der Sonderausstellung „Essen & Trinken“ der Reiß-Engelhorn-Museen gestalten möchte (lief bis Ende Juli, Anm. d. Red.). Was wir mit großer Begeisterung getan haben!
Was genau haben Sie in der Sonderausstellung gezeigt – und warum ist dieser öffentliche Diskurs über die „Zukunft der Lebensmittel“ relevant?
Kutzner: Das Thema Lebensmittel berührt tief die Identität der Menschen. Essen erhält sie nicht nur am Leben, sondern verbindet sie auf intime Weise mit einem wichtigen Teil ihrer Kultur. Die Produktion dieser Lebensmittel greift aber auch in wertvolle Ökosysteme ein und wird so zu einem Gegenstand der Diskussion um nachhaltiges Wirtschaften. Der deutsche Pionier der Bioökonomie, Professor Ralf Kindervater, hat bereits vor Jahren prognostiziert, dass es im Spannungsfeld zwischen erneuerbaren Energien und nachhaltiger Landwirtschaft zu einem „Kampf zwischen Tank und Teller“ kommen könnte. Um diesem Szenario zu entgehen, arbeitet die Biotechnologie an einer „molekularen Landwirtschaft“, die unter dem Thema Zukunft in der Ausstellung behandelt wurde.
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Wo sehen Sie BPP im Jahr 2035? Mehr Biotech, mehr Food, oder sogar noch mehr Region?
Kutzner: Hoffentlich von allem mehr! Im Jahr 2035 werden die voll ausgereiften BPP Bioportide™ hoffentlich in zahlreichen Organismen und Forschungsfeldern ein einfach anzuwendendes, hoch effizientes und unverzichtbares Werkzeug sein, das der BPP ein organisches Wachstum ermöglicht haben wird. Die dadurch gewonnenen finanziellen und personellen Kapazitäten wird die BPP in ihre anderen Technologie-Plattformen fließen lassen – insbesondere in die Skalierung der eingangs beschriebenen „grünen“ Herstellung von Peptiden und Proteinen. So könnten diese wichtigen Bausteine des Lebens für viele Industriezweige nachhaltig, umweltfreundlich und kostengünstig verfügbar gemacht werden. Und hoffentlich finde ich Zeit, einige meiner vielen anderen Ideen umzusetzen. (lacht)