Planung ist das halbe Leben. Diese Lebensweisheit trifft auch auf die Metropolregionen zu. Freie Flächen sind knapp und entsprechend intensiv wird zwischen Wohnen, Gewerbe, Landwirtschaft und Naturschutz um die beste Nutzungsart gerungen.

Der Einheitliche Regionalplan (ERP) bildet die rechtsverbindliche, regionsweite Grundlage für die kommunalen Flächennutzungs- und Bebauungspläne, wie Christoph Trinemeier erklärt: „Der ERP gibt den Rahmen für die Entwicklung der Metropolregion Rhein-Neckar vor.“ Trinemeier verantwortet als Leitender Direktor beim Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) die Regionalplanung. Für den Planer beinhaltet der ERP zwei Elemente: „Die Metropolregion ist eine wachsende Region und dieses Wachstum müssen wir nach innen, jenseits von Einzelinteressen, im Sinne eines regionalen Gesamtkonzeptes, sinnvoll steuern. Der ERP gibt aber auch das starkes Signal nach außen, dass die Metropolregion Rhein-Neckar tatsächlich ein gutes Stück weit zusammengewachsen ist.“ Und auch für Andreas Kempff, den Leiter des Geschäftsbereichs Industrie und Handel, Innovation und Unternehmensförderung bei der IHK Rhein-Neckar, spielt der ERP eine bedeutende Rolle: „Regionalpläne verteilen Entwicklungschancen innerhalb von Regionen. Das klingt zunächst abstrakt. Wir alle kennen aber konkrete Beispiele von Bauprojekten, bei denen es klemmt. Manchmal wird da gleichsam um jeden Grashalm gekämpft. Der ERP gibt hier Orientierung.“
Regionalpläne haben jedoch eine lange Laufzeit. So ist der aktuelle ERP seit 2014 rechtskräftig, sein Zielhorizont – das Jahr 2025 – fast erreicht. Deshalb gilt es jetzt, wesentliche Kernthemen des ERP an aktuelle Entwicklungen anzupassen und die strategischen Planungsziele zukunftsfest weiterzuentwickeln. Dies geschieht über das aktuelle Verfahren zur Fortschreibung des ERP, das in Zuständigkeit des Verbandes Region Rhein-Neckar liegt. Das Beteiligungsverfahren spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, wie Andreas Kempff skizziert: „Die Bindungswirkung eines Regionalplanes ist gegenüber der kommunalen Flächennutzungs- und Bauleitplanung erheblich. Ein Regionalverband muss seine Planungen deshalb auf ein möglichst breites Fundament gründen.“ So seien zum Beispiel Pläne für die Erweiterung von Unternehmen oft nicht öffentlich zugänglich. Betriebe hätten zum Teil sehr spezifische Anforderungen, etwa bezüglich der Wasserversorgung oder der Logistik. Je früher man das wisse, umso eher könne man Konflikte erkennen. „Deshalb sind Beteiligungsverfahren wichtig, die auch die Perspektive der Kommunen und der Betriebe berücksichtigen“, resümiert Kempff.
Christoph Trinemeier stimmt zu: „Wir sind dankbar für jede Gelegenheit, bei der wir unser Plankonzept vorstellen und erläutern sowie Anregungen aufnehmen können.“ Und noch ein weiterer Punkt ist dem Regionalplaner wichtig: „Das Thema Flächeninanspruchnahme wird zu Recht kritisch diskutiert. Nachhaltigkeit bezieht sich aber nicht nur auf Landschafts- und Naturschutz. Nachhaltigkeit muss auch soziale Aspekte, Wohnungsbau und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten so mit einbeziehen, dass die Region als Standort mit Blick auf die Zukunft attraktiv bleibt.“ Denn die Metropolregion gehört zu den wachsenden Regionen. Sie ist ein starker und dynamischer Industrie- und Dienstleistungsstandort mit einer vielfältigen siedlungsräumlichen und wirtschaftlichen Ausgangslage. In fast allen Teilräumen der Metropolregion ist in den vergangenen Jahren eine erhöhte gewerbliche Flächennachfrage durch betriebliche Erweiterungen, Neuansiedlungen und Verlagerungen festzustellen. Zur Dynamik tragen aber auch Veränderungen durch Standortaufgaben, städtebauliche Umstrukturierungen wie Konversionen und eine zunehmende Nutzungskonkurrenz von Wohnen und Gewerbe bei.
Entsprechend beinhaltet die Fortschreibung des ERP gezielt die beiden Plankapitel 1.4 „Wohnbauflächen“ und 1.5 „Gewerbliche Bauflächen“. Bei den „Wohnbauflächen“ in Plankapitel 1.4 sollen eine neue und transparente Methodik zur Ermittlung des künftigen Wohnbauflächenbedarfs auf Gemeindeebene, die Erhebung aktueller wohnbaulicher Flächenpotenziale gemeinsam mit den Kommunen, die Schaffung von zusätzlichen Entwicklungsspielräumen bei entsprechendem Bedarf und der Aufbau eines regionsweiten und einheitlichen Wohnflächen-Monitorings integriert werden.
In Kapitel 1.5 „Gewerbliche Bauflächen“ gilt es, die Erkenntnisse der regionalen Gewerbeflächenstudie Rhein-Neckar von 2019 zu integrieren und die regionalplanerischen Inhalte auf der Grundlage dieser Studie weiterzuentwickeln sowie ein regionsweites Gewerbeflächenmonitoring analog zu den Wohnbauflächen aufzubauen. Beibehalten werden die bewährten Instrumente der Entwicklung gewerblicher Bauflächen nach flächensparenden Konzepten, unter Berücksichtigung vorhandener Reserve und anknüpfend an die bestehende Bebauung. Gute verkehrliche Erreichbarkeit entlang bestehender Entwicklungsachsen ist hier ein Muss.
Doch welche Flächenbedarfe bestehen? Eine Bilanzierung von Bedarf und Potenzial durch den VRRN ergibt bis 2035 einen rechnerischen (Netto-)Bedarf von ca. 200 ha im Bereich Wohnen und ca. 500 ha im Sektor Gewerbe. Bei dieser Gegenüberstellung ist jedoch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Wohnflächen häufig eine erhebliche räumliche Differenz zwischen vorhandenem Potenzial und notwendigem Bedarf besteht. Dies führt hier zu einer Erhöhung der rechnerischen Bilanzierung. Bei den Gewerbeflächen schränken oft hohe Nutzungskonflikte bei der Flächensuche die Entwicklungsmöglichkeiten ein.
„Die Untersuchung zeigte auch, dass von den ausgewiesenen Gewerbeflächen von circa 2000 ha die Hälfte nicht marktgängig ist, aufgrund von Lage, Topographie, Untergrund oder bestehender Rechte Dritter“, berichtet Andreas Kempff. Und auch der Klimawandel mache sich bemerkbar.Die Flächennutzung müsse beispielsweise das zunehmende Auftreten von Fluss- und Starkregen-Hochwasser in Rechnung stellen. Betroffene Flächen dürften nicht mehr bebaut werden und auch das mindere den Bestand an Reserveflächen. Deshalb gelte es, die bestehenden Potenziale nachhaltig auszuschöpfen, ungenutzte Reserven zu aktivieren, ungeeignete Flächen zu streichen und so den Fokus auf reaktivierbare, marktgängige Flächen zu legen.
Die IHK Rhein-Neckar unterstützte im Verbund mit der IHK Darmstadt, der IHK für Rheinhessen und der IHK für die Pfalz nicht nur die Vorbereitung des Verfahrens. Sie spielt auch bei der weiteren Fortschreibung des ERP eine wichtige Rolle, wie Andreas Kempff erläutert: „Als IHK sind wir eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit sogenannter Träger öffentlicher Belange. In dieser Rolle nehmen wir Stellung und bringen die Interessen der Wirtschaft in gebündelter Form in den Regionalplan ein. Deshalb sind wir auch im Gespräch mit den Unternehmen – über unsere Ausschüsse und bei Informationsveranstaltungen“. Die IHK Rhein-Neckar bewertet die Fortschreibung des ERP anhand ihrer regionalpolitischen Positionen, die fordern, Gewerbe- und Wohnflächen ausgewogen zu entwickeln, Flächen interkommunal zu managen, für Logistikstandorte verkehrsgünstige Flächen zu wählen und ländliche Räume gezielt zu stärken.
So nehmen die Konflikte zwischen Gewerbe und Wohnen zu: Oft rückt eine Wohnbebauung an traditionelle Industriestandorte heran und es gibt plötzlich Klagen der Anwohner über Lärm- und Schmutzemissionen. Oder aber erfolgreiche Unternehmen planen, zu expandieren beziehungsweise auf ein größeres, geeignetes Baufeld zu wechseln. Wenn dann keine Reserveflächen ohne Nutzungskonflikte zur Verfügung stehen, haben die Unternehmen vor Ort keine Perspektive. Zugleich ist eine gut durchdachte Wohnbebauung aber auch im Interesse der Wirtschaft, wie Andreas Kempff erläutert: „Der Fachkräftemangel entscheidet sich auch am Wohnungsmarkt. Das zeigt sich besonders deutlich in den großen Ballungsräumen wie Frankfurt, München, Hamburg und Berlin, wo es für die jeweiligen Mitarbeiter schwierig ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden, aber ebenso in Mannheim und Heidelberg. Die Frage des ausgewogenen Verhältnisses zwischen Gewerbe und Wohnen ist für die Regionalplanung ein ewiger Spagat.“
Aber auch eine ausgewogene Wirtschaftsentwicklung ist nicht einfach herzustellen. Raumplanung ist nämlich zu nicht geringen Teilen darauf ausgerichtet, Investitionssicherheit herzustellen: Gemeinden wollen ihre knappen Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo bestimmte Infrastrukturen benötigt werden und Unternehmen müssen sicher sein, dass die getätigten Investitionen ihren Zweck erfüllen – zum Beispiel einen unproblematischen Kunden- oder Lieferantenverkehr zu gewährleisten. Deshalb orientiert sich Raumplanung meist an bestehenden Infrastrukturen. „Das hat durchaus eine gewisse Logik“, erklärt IHK-Fachmann Kempff: „Wir müssen deshalb aber umso mehr schauen, dass der ländliche Raum nicht abgehängt wird. Eine Möglichkeit bietet der Ansatz der dezentralen Konzentration: Man versucht die Gewerbeansiedlungen so zu organisieren, dass die dortigen Betriebe zusammen über eine kritische Masse verfügen und sich der Infrastrukturausbau lohnt.“
Wie geht es nun weiter? „Jetzt sind die Bürgerinnen und Bürger sowie die Träger öffentlicher Belange gefragt, also unter anderem Gemeinden, Städte, Behörden und Verbände“, antwortet Christoph Trinemeier. Im zweiten Halbjahr 2021 prüft der VRRN die eingegangenen Stellungnahmen, die Notwendigkeit einer zweiten Offenlage wird nach weiteren Schritten einen Satzungsbeschluss wohl frühestens Ende 2022 möglich machen. Diesem Satzungsbeschluss schließt sich dann das Genehmigungsverfahren seitens der drei Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen an.
Viel Zeit bleibt also nicht mehr. Umso energischer bittet Andreas Kempff die Betriebe der Region um Mitwirkung: „Das Problem besteht darin, dass sich die Unternehmen lange Zeit nicht mit ihrem Regionalplan beschäftigen – bis sie sich erweitern wollen und dann kann es zu spät sein. Deshalb sollten sich insbesondere Unternehmen an der Fortschreibung des ERP beteiligen, die sich nicht sicher sind, ob ihnen ihr aktueller Standort auch in den nächsten zehn Jahren ausreicht. Es geht am Ende um ihren Standort.“

(Stefan Burkhardt, Bild: Rhein-Neckar. Bildunterschrift: Die systematische Regionalplanung soll die Lebensgrundlagen und die Standortattraktivität der Metropolregion dauerhaft sichern und bestenfalls weiter ausbauen.)