Anna di Luce aus Mannheim produziert als erste reine KI‑Filmemacherin emotionale Kurzclips, in denen nichts echt ist – außer der Wirkung.

Tanja Capuana arbeitet als freie Journalistin unter anderem in der Rhein-Neckar-Region.

Die meisten Menschen empfinden Werbeclips, die Filme gerade an der spannendsten Stelle unterbrechen, als nervig und häufig auch als langweilig. Die Produktionen von Anna di Luce hingegen machen Spaß: Sie sind witzig, enthalten einen kurzweiligen Plot und sorgen mit einer großen Portion Emotionalität für ein gutes Gefühl. Mal erlebt eine flotte Seniorin coole Abenteuer mit einem niedlichen Nilpferd, das zum besten Freund wird. Dann sorgt ein schmackhafter Hot BBQ-Burger dafür, dass Männer ihre gefühlvolle Seite entdecken und ausleben – was am Ende sogar zur Völkerverständigung führt.

Eine weitere Besonderheit ihrer Kurzfilme: Die 41-Jährige hat vom Setting bis zum Charakter alles per Künstlicher Intelligenz (KI) produziert. Das heißt, alle Protagonistinnen und Protagonisten sind keine echten Menschen, sondern fiktive Personen, die die Produzentin mit einem Computerprogramm erstellt hat. Damit ist di Luce die erste reine KI-Filmmacherin in Mannheim.

Ein neuer Name mit viel Tiefgang

Eigentlich heißt die Produzentin mit bürgerlichem Namen Anna Göhrig. Doch als sie im August mit ihrem neuen Business startete, wollte sie einen Namen, mit dem sie sich emotional verbunden fühlt. Das wohlklingende Wort „Luce“ ist der italienische Begriff für „Licht“. „Früher habe ich als Oberbeleuchterin und als Kamerafrau gearbeitet“, erzählt sie. „Weil mir Lichtgestaltung beruflich immer so wichtig war, wollte ich einen Künstlernamen, zu dem ich einen persönlichen Bezug habe.“ Gleichzeitig möchte di Luce international und weltweit agieren. „Dann will ich auch einen Namen haben, den nicht ständig jeder falsch schreibt.“

Ihre Leidenschaft fürs Filmemachen rührt daher, dass sie immer herausfinden wollte, wie Geschichten entstehen, die Menschen berühren. „Ich fand immer Filme spannend, die die Welt oder Personen verändern können. Einer meiner Lieblingsfilme war immer ‚Bridget Jones‘, ein totaler Feel-Good-Film.“ Bei jedem Liebeskummer habe sie ihn sich 20-mal angeschaut und sich danach immer total verstanden gefühlt. „Filme und Geschichten haben eine besondere Kraft. Mich hat immer interessiert, wie man es schafft, dass quasi jemand meine Sachen sieht und sich irgendwie davon berührt fühlt.“ Kamerafrau wollte sie nicht zuletzt werden, um viel zu reisen. „Und um die Welt zu verändern“, fügt sie hinzu.

Anna di Luce ergründet mit KI sogar emotionales Storytelling: Dieser Screenshot stammt aus einem humorvollen Spec Spot für ein Fintech-Unternehmen aus ihrem Kundenkreis. KI-Bildrechte: Anna di Luce

 

An den KI-Filmen fasziniert sie, dass ein Werbeclip dank technischer Mittel relativ kostengünstig und schnell umgesetzt werden kann, auch wenn KI noch ihre Grenzen hat. „Aber es ist zumindest so, dass ich es dann direkt visualisieren und animieren kann.“ Mit einem ihrer Clips schaffte sie es sogar bei einem KI-Film-Wettbewerb ins Finale. Diesen Film sowie andere Arbeiten präsentiert sie unter www.annadiluce.de, die ein Showcase für potenzielle Kundschaft darstellt.

Auf der Story liegt der Fokus

Doch wie entsteht eigentlich ein Film oder Clip, in dem die Menschen nicht real sind, sondern am PC entstehen? „Manche Leute denken, dass ich einen realen Dreh gemacht habe und nur ein paar KI-Elemente reingemischt hätte“, erzählt sie. Denn die Charaktere im Film wirken unheimlich echt. Sie erschafft nie Figuren, die es schon gibt, und lässt keinen Klon eines bekannten Hollywood-Stars durch ihre Videos laufen. „Erstens darf man es nicht, weil man sonst das Persönlichkeitsrecht verletzt“, erklärt di Luce. „Außerdem ist mir wichtig, dass die Charaktere menschlich sind und unperfekt – mal ein bisschen zu dick, mal ein bisschen zu schlaksig und nicht mit perfekten Haaren“, sagt sie. „Ich finde es super wichtig, dass man gerade nicht das reproduziert, was ja die ganze Zeit in die KI gefüttert wird“, spielt sie auf perfekte Frauenbilder an. Als Filmemacherin sei ihr wichtig, eben keine vollkommenen Ideale zu kreieren. Wichtiger ist ihr die Story: Sie sollte interessant sein und ein bisschen komödiantisch. „Ich finde, in leichtfüßigen und humorvollen Erzählungen kann man immer ganz gut auch ernste Messages verpacken.“

Alleinerziehend zu neuen Ufern

Di Luce ist zudem das beste Beispiel dafür, dass Not nicht nur erfinderisch, sondern auch kreativ macht. Als alleinerziehende Mutter steht sie täglich vor der Herausforderung, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und gleichzeitig für ihre inzwischen 13-jährige Tochter da zu sein. Zudem musste sie ihre berufliche Richtung aufgrund äußerer Umstände mehrfach verändern. Nach ihrem Abitur absolvierte sie zunächst ein einjähriges Praktikum, anschließend arbeitete sie als Oberbeleuchterin. Dadurch kam sie zum Thema Kamera. „Ich wollte schon immer auf der ganzen Welt Filme machen und bin dann dadurch mit dem Beruf der Kamerafrau in Kontakt gekommen.“

Im Alter von 23 Jahren studierte sie Kamera an der Filmakademie Ludwigsburg. „Während meines Diplomjahres als Kamerafrau wurde ich dann schwanger“, erzählt di Luce. „Als Alleinerziehende konnte ich meinen Beruf als Kamerafrau nicht mehr ausüben, weil man da sehr viel reisen muss und ich alles auf einem hohen Level machen wollte.“ Nach ihrem Studium und nachdem sie acht Jahre lang im Bereich Kamera, Licht und Film gearbeitet hatte, musste sie komplett von vorne anfangen. „Das war der erste Bruch in meinem Leben“, sagt sie.

Weil Anna di Luce schon immer gut schreiben konnte, verfasste sie E-Commerce-Texte über Mode für verschiedene Plattformen und bekam umgerechnet zwei Euro pro Stunde, weil die Dienstleister pro Wort vergüteten. „Ich musste ganz unten anfangen, aber das Texten war das Einzige, was beruflich mit einem kleinen Baby möglich war.“ So rutschte die junge Mutter in den Beruf Texterin und schaffte es schnell aufzusteigen. Dann arbeitete sie zehn Jahre in der Werbebranche, zunächst als Texterin, später als Konzepterin und schließlich als Kreativdirektorin.

In der Pandemie zurück zur Passion

Mit 31 Jahren beschloss sie, nach Polen zu gehen. In Deutschland bekam sie nach der Geburt ihres Kindes trotz ihres Diploms als Kamerafrau, das sie mit der Traumnote 1,3 abgeschlossen hatte, keine Stelle, die höher als Praktikumslevel war. „In Krakau hat man mir bei Capgemini ein so gutes Gehalt geboten, dass ich davon auch die Kinderbetreuung bezahlen konnte.“ Der Umzug ins Ausland war somit eigentlich eine Notlösung. „Das war dann auch sozusagen der Start für meine ganz neue Karriere in der Werbebranche.“

Nach einem Jahr stieß sie jedoch an ihre Kapazitätsgrenzen. „Man arbeitet zehn Stunden, das Kind ist dann die ganze Zeit in Betreuung und muss abends auch noch irgendwie viel auffangen.“ Obwohl ihre Tochter die Zeit in guter Erinnerung hat, beschloss die gebürtige Odenwälderin, die Möglichkeit, weiterhin im Ausland zu arbeiten, zu verschieben, solange ihr Kind noch so klein ist. Sie kehrte deshalb wieder zurück nach Deutschland in die Nähe ihrer Eltern, damit sie sie bei der Betreuung ihrer Tochter unterstützen können. Im Februar 2020 machte sie sich dann selbstständig und zog nach Mannheim. „Weil es dort eine Kreativwirtschaft innerhalb der Region gibt.“

Trotz der Pandemie lief es für sie beruflich zunächst gut, weil viele Branchen alles auf Digital umstellten und viele eine Webseite wollten. „Da hatte ich total viele Aufträge“, sagt sie. Nach zwei Jahren pendelte sich das Arbeitspensum ein. „Ich habe gemerkt: Jetzt läuft es mit den Aufträgen und mit meiner Tochter gut“, sagt sie. „Jetzt will ich wieder das machen, was so wirklich mal meine Passion war – und das ist ja das Filmemachen.“ Sie entschloss sich also, neben der Arbeit als Werbetexterin und Kreativdirektorin und als Mutter ein Aufbaustudium an der HFF München für Drehbuch zu machen. Doch 2024 machte ihr die Rezession einen Strich durch die Rechnung: „Sowohl die Werbeaufträge brachen durch ChatGPT extrem ein als auch die Drehbuchbranche, die in einer tiefen Krise steckt.“ Anna di Luce erkannte: Um ihren Lebensunterhalt weiter bestreiten zu können, braucht sie ein anderes Standbein.

Seminar als Impuls für ihr Business

Während eines Drehbuchseminars im Mai schnappte sie zufällig das Thema KI-Film auf. „Dann habe ich gemerkt: Damit kann man ja schon richtig krass Sachen machen.“ Zu Hause war ihr Kopf vor lauter Ideen fast explodiert. „Weil ich dachte: Wow, jetzt kann ich ja von zu Hause aus, auch als alleinerziehende Frau, Filme an meinem Rechner machen, ohne dass ich jetzt in Berlin und München leben oder 16 Stunden lang am Filmset stehen muss.“ Sie könne wieder Kamerafrau sein, ohne ein Budget von Millionen Euro, erzählt sie und lacht. „Das hat mich dann total beflügelt. Da dachte ich, jetzt kommt alles zusammen: Das Kamerathema, dieses Filmemachen und dieses aber doch irgendwie allein und unabhängig sein können“, sagt sie. Und sich zudem Geschichten für das Drehbuch ausdenken zu können. „Das war für mich ein ‚Full Circle Moment‘“, beschreibt sie ihre Euphorie und die Bestätigung, dass ihre Zeit jetzt gekommen sei. „Da hilft mir jetzt genau diese ganze Filmausbildung, die ich vorher hatte, wo ich immer dachte, das werde ich nie wieder im Leben nutzen.“ Von denen sie dachte, sie habe acht Jahre lang eine falsche Richtung verfolgt. „Jetzt kann ich wirklich alles selbst machen: Vom Drehbuch bis Kamera, Regie. Auch die Schauspieler mache ich selbst.“ Gleichzeitig schreibt sie an Drehbüchern für zwei Komödien mit deutschen Filmproduktionsfirmen.

Sie selbst möchte auch in Zukunft keine großen Filme mit KI-generierten Personen machen, sondern damit im Bereich Werbung bleiben. „Aber es gibt ja sehr viele, gerade die TikTok-Generation, denen es komplett egal ist, was sie da sehen, ob das echt ist oder nicht.“ Doch Anna di Luce ist auch der Meinung, dass der Großteil der Zuschauer auf der großen Leinwand weiterhin echte Menschen sehen möchte und dass das Medium Film niemals ganz verschwinden wird. Und auch wenn der Trend aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht dahin geht, auch längere Filme mit KI zu erstellen, glaubt sie nicht, dass irgendwann die großen Blockbuster ohne Brad Pitt oder Meryl Streep gedreht werden. „Gerade weil es KI gibt, wird es wieder eine Gegenbewegung geben, dass die Leute echte Schauspieler sehen wollen.“

Aufgeben gibt’s bei ihr nicht

Die 41-Jährige versteht, dass das Thema KI auch vielen Menschen Angst macht. „Denn meinen Job hat KI ja auch erstmal gekostet.“ Doch für sie bedeutet Künstliche Intelligenz aktuell vor allem eine große Chance. „Ich kann wie ein Phönix aus der Asche aus meinem Büro heraus diese Filme machen.“

Anna di Luce geht ihren Weg. Bild: Miriam Stahnke

Wie lange sie mit Hilfe von KI Filme kreieren kann oder ob ihre Arbeit in drei Jahren ebenfalls komplett durch irgendein Programm ersetzt werden wird, weiß sie nicht. Dennoch bleibt sie optimistisch. „Berufsbilder werden sich immer verändern“, gibt sie zu bedenken. Primär interessiert sie an ihrer Arbeit ohnehin, wie zwischenmenschliche Beziehungen filmisch dargestellt werden können. „Das Thema Geschichten erzählen und Menschen damit zu berühren, kann ich auch machen, wenn ich vielleicht irgendwann im Altenheim als Pflegerin arbeiten sollte.“ Anna di Luce vertraut daher voll und ganz auf ihre Expertise, Mut und Kreativität. „Wenn man das einmal durchhat, komplett bei null anzufangen, dann weiß man auch, dass man das immer wieder schafft.“

Zur Person
Anna di Luce ist die erste KI-Filmproduzentin in Mannheim. Die 41-Jährige hat ein Kamerastudium an der Filmakademie Ludwigsburg absolviert. Im polnischen Krakau startete sie als junge Mutter eine Karriere in der Werbebranche. Dank KI kam sie in Deutschland wieder zurück zu ihrer Passion Film. Mehr Infos unter www.annadiluce.de.

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