Nicht nur Supermärkte bieten inzwischen ein breitgefächertes Sortiment aus pflanzlichen Lebensmitteln. Auch die Gastronomie hat als Zielgruppe Kunden erkannt, die sich ohne tierische Produkte ernähren; und zahlreiche Lokale haben mehrere Gerichte auf der Speisekarte, die für Veganer mehr zu bieten hat als eine Gemüseplatte. Neben veganfreundlichen Lokalen gibt es viele Restaurants, die komplett auf Fleisch, Eier und Milchprodukte verzichten. Auch in der Metropolregion, vor allem in Mannheim, begeistern zahlreiche Restaurants mit pflanzlichen Genüssen, die kreativ sind und auch Leuten schmecken, die sich sonst gerne ein saftiges Steak gönnen.
Wer an typische Pfälzer Spezialitäten denkt, dem fallen als Erstes deftige Leberknödel oder Saumagen ein. „Die Pfälzer Küche ist sehr fleischlastig“, sagt Sonja Petzinger. Gemeinsam mit ihrer Freundin Camille Guillier betreibt sie seit August 2022 die Weinstube Eulenspiegel im Herzen von Speyer, dem einzigen veganen Restaurant der Domstadt. „Wir wollten etwas machen, was es noch nicht gibt und eine Lücke füllen“, erklärt Petzinger die Herausforderung, beliebte Pfälzer Gerichte zu veganisieren.
Sie übernahmen die ehemalige Weinstube, behielten die Inneneinrichtung bei und änderten nur den Speiseplan. Auf den Tisch kommen neben Bratkartoffeln und Kartoffelsuppe auch Bratwürste, Leberknödel und, natürlich Saumagen. Petzinger verwendet lieber den Begriff „pflanzlich“. „Ich glaube es ist einfach der Begriff ‚vegan‘, der viele abschreckt“, erklärt sie. Denn noch immer glaube mancher, dass in veganen Produkten zu viele Zusatzprodukte stecken – mehr als im Fleisch.
Während die Köchin Guillier Seitan-Bratwürste und Wurst aus Erbsenprotein einkauft, stellt sie Leberknödel und Saumagen sowie alle Saucen selbst her. Finanziert hatten sie ihr Herzensprojekt aus eigenen Ersparnissen sowie einem kleinen Kredit. „Wir haben dafür einen Businessplan geschrieben und mussten ganz viel erzählen“, verrät die Köchin lachend. Die Reaktionen auf ihr Vorhaben seien durchweg positiv gewesen. Neben Stammkundschaft kämen immer wieder Leute zum ersten Mal vorbei. Und das Klientel besteht nicht nur aus Menschen, die sich pflanzlich ernähren, sondern auch Leute, die kommen, weil es ihnen schmecke.
„Da seit Anfang des Jahres die Mehrwertsteuer in den Lokalen von sieben zurück auf 19 Prozent gesetzt wurde, haben Petzinger und Guillier die Preise leicht angehoben. Nicht zuletzt auch, da aufgrund der Inflation die Lebensmittelpreise gestiegen seien. „Dafür haben wir einen Rabatt von 15 Prozent für Schüler und Studenten eingeführt, der gut angenommen wird“, erzählt Petzinger. „Weil wir es fördern wollen, dass es sich auch junge Menschen leisten können, essen zu gehen.“
Dass pflanzliche Gerichte immer beliebter werden liegt laut Sonja Petzinger nicht zuletzt daran, dass sich viel mehr Leute Gedanken über ihr Essverhalten in Bezug auf Klima und Umwelt machen, was letztendlich auch den Fleischkonsum betreffe. Ginge es nach ihr, so würde es dem Markt guttun, wenn es noch mehr rein vegane Restaurants gebe oder Lokale, die mehr pflanzliche Menüs anbieten, so dass es die Hälfte des Angebots ausmacht. „Dann ist es einfacher, wenn man mit der Familie essen geht und man jemanden dabei hat, der partout nicht in ein veganes Restaurant gehen will.“
Roman Kress ist Inhaber des Restaurants „Glückstein“ im Mannheimer Stadtteil Lindenhof, welches er im August 2020 übernommen und renoviert hatte. „Vegan hat nichts mit Verzicht zu tun, sondern mit der Entdeckung neuer kulinarischer Welten“, sagt er. „Mit 16 Jahren habe ich meine Ausbildung im Gourmetrestaurant Erbprinz in Ettlingen absolviert“, erzählt der gelernte Koch.
Anschließend sammelte er Erfahrungen in verschiedenen Sternerestaurants in Deutschland und der Schweiz. 2013 entschied Roman sich für eine vegane Lebensweise und kündigte seine damalige Anstellung als Küchenchef. 2014 eröffnete er seinen ersten Gastronomiebetrieb in den Mannheimer Quadraten – Das Restaurant „Leaf Food“. Nach einer kurzen Anlaufzeit erfreute sich der Laden bereits größter Beliebtheit. Schon zu diesem Zeitpunkt bot Roman Kress zusätzlich zum Tagesgeschäft Caterings für Veranstaltungen sowie ein Gastronomieangebot für Festivals an. Ende 2018 verkaufte er das „Leaf Food“, um sich eine Auszeit zu nehmen, um zu reisen und zur Ruhe zu kommen.
Ende 2019 gründete er die Roman Kress Food GmbH. Im März 2020 folgte darauf die Eröffnung des Romans – ein Falafel-Bowl-Konzept in der Fressgasse in Mannheim. Bereits zwei Wochen nach der Eröffnung kam der erste Lockdown … Durch die Restriktionen während der Corona-Zeit hatte er mit erheblichen Umsatzeinbußen zu kämpfen. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab das Restaurant „Glückstein“ 2020 zu übernehmen und zu renovieren. Die Eröffnung war für den 2. November geplant, was durch den kurzfristig angekündigten Lockdown-Light nicht möglich war. Im Frühjahr 2021 begann Roman mit Essen zum Mitnehmen und eröffnete im Mai das Restaurant so, dass nun auch vor Ort gegessen werden konnte. Die Gastronomie in der Innenstadt verkaufte er 2023 um sich voll und ganz auf das Restaurant „Glückstein“ und dem anhängigen Catering-Geschäft zu konzentrieren. Mittlerweile hat sich im „Glückstein“ ein junges, dynamisches Team mit flachen Hierarchien in einem sehr guten Arbeitsklima entwickelt.
Aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen wurden die Preise zwar leicht erhöht, aber nicht im Umfang der Steuerbelastung von zwölf Prozent, um den Kunden weiterhin ein bezahlbares kulinarisches Erlebnis bieten zu können. Zudem bekommt man im „Glückstein“ auf Gerichte zum Mitnehmen einen Euro Rabatt, sofern in einer Mehrwegdose mitgenommen. Von Montag bis Freitag serviert Kress mit seinem Team täglich wechselnde Gerichte.
Abends können ein 4-Gänge-Menü oder Speisen à la Carte genossen werden. „Wir legen großen Wert auf saisonale und regionale Lebensmittel“, sagt Kress. Damit das Essen in wenigen Minuten serviert werden kann, wechselt nie die komplette Karte am Abend, sondern lediglich 20 bis 30 Prozent. Kress: „Dadurch entsteht keine Unruhe in der Küche.“ Um die Kosten im Blick zu behalten übernimmt er den kompletten Einkauf selbst, denn bereits sein Vater, ein Küchenmeister, sagte: „Im Einkauf liegt der Gewinn.“
Das vegetarische Restaurant Kombüse beweist seit 2012, dass die pflanzliche Küche kreativ und lecker sein kann. „Vor zwölf Jahren bedeutete Veganer zu sein nur die Wahl zwischen Pommes und Salat zu haben“, sagt Jonathan Sternberg. Jetzt habe man in den Restaurants viel mehr Auswahl, denn fast jedes Lokal biete wenigstens ein veganes Gericht an.
Die Kombüse im Jungbusch: Hier gibt
es vorwiegend vegane Köstlichkeiten.
In der „Kombüse“ gibt es vorwiegend vegane Köstlichkeiten. Als einziges nicht-pflanzliches Produkt gibt es Käse und Joghurt aus Kuhmilch sowie Schafskäse. Der gelernte Koch und Vegetarier Sternberg steht in der Küche während sein Geschäftspartner Michael Dester vegan lebt und sich um die bürokratischen Dinge kümmert. Kennengelernt haben sich die beiden auf einem Punkkonzert. „Er wollte sich selbstständig machen, ich war bereits in der Gastroszene tätig und hatte Konzepte für Restaurants gemacht“, erzählt der gebürtige Amerikaner Sternberg. „Mit vegan kannst du alle Leute bedienen“, sagt er. „Natürlich geht es mir aber in erster Linie um Tiere, Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung.“ Wer das Lokal im Mannheimer Kreativ-Viertel Jungbusch betritt, fühlt sich wie zu Hause. Dank cooler Musik, Kunst an den Wänden und der ungezwungenen Atmosphäre, kann man so sein, wie man möchte. Man kommt mit anderen Gästen ins Gespräch und die Betreiber haben schon mal Amor gespielt: Das Paar das sich dort verliebt hat, feierte auch seine Hochzeit in der Kombüse.
Als Dester und Sternberg die Kombüse eröffneten, gab es in Mannheim keine vegane Restaurants, außer dem veganen Imbiss „Sonnenblume“, das später in „Mundgruen“ umgetauft wurde, und das „Heller’s“, das inzwischen schließen musste. Sternberg und Dester wollten Speisen anbieten, die sie und ihre Freunde gern essen. „Wir wussten, dass wir das gut hinkriegen, und wir eine Karte anbieten können, die abwechslungsreich ist.“
Viele Gerichte sind von Natur aus vegan. Dabei ging es den beiden nicht darum, eine Alternative zu Fleisch anzubieten. Sondern etwa aus Hülsenfrüchten Hummus oder den beliebten „Black Bean Burger“ samt selbstgemachten Brötchen zu kreieren. Oder auf leckere Soßen zu setzen. Es gibt Bowles mit viel Gemüse, Hülsenfrüchte und Salaten, die gesund und köstlich sind. Jedes Quartal gibt es einen neuen Burger und was Süßes als Dessert. Sie verzichteten darauf das Thema vegan zu stark zu betonen.
„Wir wollten die Leute nicht abschrecken. Auf dem Schild steht: daher ‚vegetarische Küche‘. Mittlerweile kannst du ‚vegan‘ schreiben, und es würde die Leute nicht stören“, sagt der 41-jährige Sternberg. Trotzdem war es für einen großen Teil der Kunden eine Überwindung, in ein neues, veganes Restaurant zu gehen. „Sie dachten man bekommt hier nur Salat und Tofu.“ Jetzt verköstigen Dester und Sternberg ein breites Publikum von Studierenden, Schülern, Familien, Freunden oder Geschäftskunden. „Man muss offen sein und auf Augenhöhe mit den Kunden und Mitarbeitern bleiben.“
Dass Corona direkt in Ukraine-Krieg und Inflation überging, war auch für die „Kombüse“ keine leichte Zeit, wie Sternberg einräumt. „Wir haben als ‚Kombüse‘ die Mitarbeiter so gut beschäftigt, wie es ging, und haben ‚Essen to go‘ in Mannheim selbst ausgeliefert“, so die Restaurant-Betreiber.
Damit ihre Kunden es sich trotzdem noch leisten können, bei ihnen essen zu gehen, haben die beiden trotz Mehrwertsteuererhöhung die Preise nicht erhöht. Dass aufgrund von Corona noch immer weniger Kunden komme, spüre man immer noch ein wenig. „Langsam lockert es sich wieder auf.“ Bedarf an veganen Restaurants sei da. „Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt man und es gehört dazu“, sagt Sternberg. „Jeder macht ein bisschen was anderes und das Angebot ergänzt sich“.
Text: Tanja Capuana-Parisi; Bilder: Tanja-Capuana Parisi, altitudevisual/stock.adobe – KI generiert