Um den Einsatz künstlicher Intelligenz in der klinischen Praxis zu erleichtern, entsteht in Mannheim das Anwendungszentrum für intelligente Maschinen in der Medizintechnik (ANIMMED). Das Land fördert das Projekt–und zeichnet das Medizintechnologie-Cluster aus.
Intelligente Methoden ermöglichen in der Diagnostik bereits heute die Analyse gewaltiger Datenmengen, die ein Mensch nicht mehr bewältigen kann – das macht den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin besonders relevant. Auch Medizingeräte können durch den Einsatz intelligenter Methoden automatisiert werden, um klinische Anwendungen effizienter zu machen und Ärzte effektiver zu unterstützen. Ohne den Einsatz von KI erscheint eine Automatisierung von Medizingeräten in den meisten klinischen Anwendungen jedoch kaum möglich. Der Grund liegt in der natürlichen Vielfalt des menschlichen Organismus,
seiner Verletzlichkeit und der komplexen Biologie des menschlichen Körpers. Der Mensch beherrscht diese Komplexität und Variabilität – seine Ressourcen können jedoch durch die Hilfe intelligenter Maschinen deutlich erweitert werden. Automatisierung durch KI-Systeme wird daher heute als technischer Schlüssel für eine zukünftige effiziente Präzisionsmedizin betrachtet.
Die Möglichkeiten der KI für die Steuerung medizintechnischer Geräte und Instrumente bleiben jedoch in der klinischen Praxis noch weitgehend unerschlossen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Zugang zu Trainingsdaten. Denn lernfähige KI-Systeme für intelligente Geräte und Instrumente sollen mit großen Datenmengen trainiert werden, die valide sind, also die Realität mit einer ausreichenden Genauigkeit darstellen und im Hinblick auf das berechnete Ergebnis überprüfbar sind.
Speziell für medizintechnische Anwendungen lassen sich solche großen Datenmengen aber nur im klinischen Alltag oder in extrem realitätsnahen Szenarien und Simulationen gewinnen. An dieser Anforderung scheitert in den meisten Fällen die Entwicklung von KI-Systemen in der Medizin. Der Aufwand für Unternehmen wird zu groß. Damit schließt sich der fehlerhafte Kreis: Weil konkret greifbare Anwendungen fehlen, können Machbarkeit und Nutzen von KI-Lösungen aktuell durch Praxisbeispiele nicht in ausreichendem Umfang nachgewiesen werden. So kommt die Entwicklung von Anwendungen nur schwer voran.
In Mannheim vollzieht man nun einen wichtigen Schritt, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen: Mit rund 1,5 Millionen Euro fördert das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg den Aufbau eines Anwendungszentrums für intelligente Maschinen in der Medizintechnik, kurz ANIMMED. Dort können das notwendige Know-how und die Strukturen aufgebaut werden, um Medizintechnikunternehmen bei der Konzeption, der Realisierung, dem Training oder der Adaption von KI-Lösungen für neue oder modifizierte medizinische Geräte und Instrumente zu unterstützen. Angesiedelt ist ANIMMED im Gründungs- und Kompetenzzentrum Medizintechnologie CUBEX41.
„Dank des experimentellen Interventionsraums sowie des direkten Zugangs zu klinischen Einrichtungen der Universitätsmedizin Mannheim ist ein direkter Transfer von Technologien in die Praxis möglich“, betont Professor Jan Stallkamp, Leiter der Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie (PAMB) des Fraunhofer-Instituts IPA. Sie betreibt in Kooperation mit dem Heinrich-Lanz-Zentrum für Digitale Gesundheit (HLZ) der Universitätsmedizin Mannheim das ANIMMED. „Außerdem eröffnet die Kooperation mit dem HLZ die Nutzung realer klinischer Daten für das Training von KI-Systemen. Dies sind hervorragende Ausgangsvoraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von ANIMMED“, führt Stallkamp weiter aus.
„Die Förderung aus Stuttgart ist ein wichtiges Signal für die Gesundheitswirtschaft am Standort Mannheim. Sie zeigt, dass unsere Clusterstrategie mit einer effizienten Verzahnung von Forschung, Klinik und Unternehmen zu einem Netzwerkverbund erfolgreich ist“, erklärt Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Bereits 2019 erhielten die Stadt und das Universitätsklinikum Mannheim eine Förderung für den Aufbau der Digital Health Entwicklungs- und Erprobungsplattform INSPIRE. „ANIMMED ist in diesem Kontext ein weiterer strategischer Baustein und verstärkt passgenau das Innovationsökosystem zur Förderung der digitalen Gesundheitswirtschaft am Standort Mannheim“, unterstreicht Wirtschaftsbürgermeister Michael Grötsch.
Insgesamt fördert das Wirtschaftsministerium acht Projekte mit zusammen 13,9 Millionen Euro. „Innovative Ideen und Projekte sind der Schlüssel für eine leistungsfähige Gesundheitsbranche im Land. Gerade in Krisenzeiten gilt es, diese Kompetenzen ständig weiterzuentwickeln und auch für die Zukunft zu sichern. Mit den ersten acht Projekten werden wir diese Schlüsseltechnologien maßgeblich voranbringen – zum Wohle der Patienten und zugunsten des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg“, begründet Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut die Entscheidung.
Der Medizintechnologie-Sektor zählt zu den weltweit größten Wachstumsbranchen. Zahlreiche starke Akteure aus Gewerbe, Industrie, Klinik und Forschung in diesem Sektor sind in der Region Rhein-Neckar angesiedelt – allein in Mannheim agieren rund 100 Unternehmen mit rund 10 000 Beschäftigten im Wertschöpfungsnetzwerk Medizintechnologie über alle Wertschöpfungsstufen hinweg und in einer großen Bandbreite unterschiedlicher Technologien und Versorgungsfelder.
Im Rahmen der wirtschaftspolitischen Strategie der StadtMannheim wurde deshalb Ende 2011 der weitereAusbau dieses Sektors über ein professionalisiertes Clustermanagement begonnen, das im Fachbereich für Wirtschafts- und Strukturförderung der Stadt angesiedelt ist. Mit der Einrichtung des Clustermanagements Medizintechnologie 2011, der Eröffnung des Gründungs- und Kompetenzzentrums Medizintechnologie CUBEX41 im Jahr 2015, der Entwicklung des Mannheim Medical Technology Campus ab 2017 und dem BaudesCUBEXONE ab 2019 hat die Stadt wichtige Meilensteine der Strategie umgesetzt.
Auch der Landespolitik blieb dies nicht verborgen: Vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg wurde das Medizintechnologie-Cluster Mannheim nun mit dem Qualitätslabel „Cluster-Exzellenz Baden-Württemberg“ ausgezeichnet. Es ist damit eine von aktuell neun Clusterorganisationen in Baden-Württembergmit dieser Auszeichnung. Gleichzeitig erhält das Mannheimer Netzwerk das europaweit gültige „Cluster Management Excellence Label GOLD“, das mit Unterstützung der Europäischen Kommission entwickelt wurde. Beide Auszeichnungen wurden zunächst für zwei Jahre vergeben.
(red/mtz; Bild: Tröster, Bildunterschrift: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (MItte) überreicht das
Qualitätslabel „Cluster-Exzellenz Baden-Württemberg“ an Vertreter von Clustermanagement, Stadt
und Wirtschaftsförderung.)